Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die substantiierte Darlegung des behaupteten Gehörsverstoßes zur Zulässigkeit der Anhörungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Die Anhörungsrüge nach § 178a SGG setzt zu ihrer Zulässigkeit voraus, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs substantiiert dargelegt wird. Dazu ist die Darlegung im Einzelnen erforderlich, welchen entscheidungserheblichen Teil des Vorbringens das Gericht in der angefochtenen Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hätte.

2. Eine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts, den Beteiligten vor einer Entscheidung seine vorläufige Rechtsauffassung mitzuteilen, existiert nicht.

3. Die Rüge, eine sachgerechte Befassung des Gerichts mit dem Streitstoff eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sei innerhalb einer Frist von zwei Wochen angesichts des äußerst komplexen Verfahrens nicht möglich, ist nicht hinreichend konkret für einen geltend gemachten Gehörsverstoß. Das gilt insbesondere für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem eine rasche Entscheidung geboten ist.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.03.2017; Aktenzeichen 1 BvR 1868/16)

 

Tenor

I. Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Senats vom 2. Mai 2016 im Verfahren L 2 R 93/16 B ER wird als unzulässig verworfen.

II. Kosten für das Anhörungsrügeverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin mit dem sinngemäß gestellten Antrag,

das unter dem Aktenzeichen L 2 R 93/16 B ER geführte Beschwerdeverfahren unter Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 2. Mai 2016 fortzuführen,

ist bereits unzulässig. Ein Gehörsverstoß im genannten Verfahren ist nicht hinreichend substantiiert dargetan.

Auf die Anhörungsrüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren (nur dann) fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 178a Abs.1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Bereits die Zulässigkeit der Anhörungsrüge setzt vor diesem Hintergrund nach § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG voraus, dass eine Gehörsverletzung substantiiert dargelegt wird (vgl. ausfl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 11. Aufl. 2014, § 178a Rn. 6a und 6b).

Das ist hier nicht geschehen; im Kern wiederholt die Antragstellerin nur ein weiteres Mal ihre Rechtsauffassung, aus der sich aber nach der Auffassung des Senats - wie bereits zuvor nach der des SGs - kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergibt. Dass und welchen entscheidungserheblichen Teil ihres Vorbringens der Senat in der angefochtenen Entscheidung vom 2. Mai 2016 nicht zur Kenntnis genommen hätte, hat die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert dargetan.

Soweit die Antragstellerin rügt, der Senat habe ihr die Beschwerdeerwiderung ohne irgendwelche Hinweise übersandt, ist nicht erkennbar, warum der Senat dazu zwingend Anlass gehabt hätte. Eine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts, durch die es gehalten wäre, den Beteiligen vor einer Entscheidung seine vorläufige Rechtsauffassung mitzuteilen, existiert entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht; anders wäre dies nur, wenn sich das Gericht überraschend auf einen bisher nicht thematisierten Streitpunkt gestützt hätte; das war aber vorliegend nicht der Fall. Insbesondere war ein gesonderter Hinweis darauf, dass die Antragstellerin ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen müsse, um einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, nicht geboten, nachdem schon das SG gerade auf diesen Gesichtspunkt abgestellt und ausgeführt hatte, dass das Existenzminimum der Antragstellerin gesichert sei und daher ein Anordnungsgrund nicht vorliege.

Im Übrigen ist die Antragstellerin auch in ihrer Anhörungsrüge den Ausführungen des Senats insbesondere zum fehlenden Anordnungsgrund zwar wortreich, aber wenig konkret und weiter ohne jeden Beleg entgegengetreten; welches entscheidungserhebliche Vorbringen er bei Erlass der Entscheidung übersehen hätte, ist nicht substantiiert dargetan. Konkret hat sie (nur) vorgetragen, keine Leistungen aus der Unfallversicherung zu erhalten - was der Senat aber auch nur als möglich bezeichnet hatte; die Entscheidung tragend war diese Erwägung ersichtlich nicht. Weiter hat die Antragstellerin darauf aufmerksam gemacht, dass Schmerzensgeld nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen sei, und hat hierzu auf Rechtsprechung des BSG zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende verwiesen - was aber eine ganz andere Frage darstellt als die, ob es unzumutbar ist, auf entsprechende Beträge vorübergehend zurückzugreifen, wenn es um das Vorliegen eines Anordnungsgrundes geht. Abgesehen davon bringt die Antragstellerin auch hier nur eine von der des Senats abweichende Rechtsauffassung zum Ausdruck; dies kann eine Anhörungsrüge von vornherein nicht tragen. Gleiches gilt hinsichtlich des Arguments, sie dürfe nicht auf Grundsicherungsleistungen verwiesen werde - was d...

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