Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Datenschutzrecht. Angelegenheit der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Geltendmachung eines datenschutzrechtlichen Verstoßes durch Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zum einstweiligen Rechtsschutz im Falle eines behaupteten Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (juris: EUV 2016/679) durch Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Normenkette
DSGVO Art. 23 Abs. 1 Buchst. e, Art. 77, 79 Abs. 1; SGB X §§ 81a, 81b Abs. 1, § 2 S. 4; SGB I § 60 Abs. 1; SGB XII § 43; HGB § 17 Abs. 1; SGG § 51 Abs. 1-2, § 56 Sätze 1-2, §§ 143, 172 Abs. 3 Nr. 1, § 173 S. 1; ZPO § 920
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 29. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller beanstandet im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Anforderung von Auskünften und Unterlagen durch den Antragsgegner aus Gründen des Datenschutzes.
Der 1955 geborene Antragsteller erhielt bis 31. August 2021 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dabei führte das Jobcenter Waldeck-Frankenberg in seiner vorläufigen Entscheidung vom 4. März 2021 für den letzten Bewilligungsabschnitt Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 18,- Euro monatlich auf, das aber wegen der Freibeträge vollständig anrechnungsfrei blieb.
Am 20. Mai 2021 beantragte der Antragsteller für die Zeit ab dem 1. September 2021 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bei dem hierfür zuständigen Antragsgegner. In einem Begleitschreiben führte er unter anderem aus, alle relevanten Daten lägen dem Antragsgegner [gemeint offenbar: mit dem Antragsformular und einigen beigefügten Unterlagen] vor. Er weise darauf hin, „das ich nichts Unterschreibe was meinen persönlichen Datenschutz“ betreffe. „Mehr an Daten“ brauche der Antragsgegner vorab nicht zu prüfen; er werde dem Antragsgegner seinen Rentenbescheid, wenn er ihm vorliege, und am 1. September 2021 die Kontoauszüge für drei Monate zuschicken. Auf Bl. 1 ff. der zum Antragsteller geführten Leistungsakte des Antragsgegners - im Folgenden: LA - wird Bezug genommen.
Zu seiner selbständigen Tätigkeit teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Juni 2021 mit, dass er seit Jahren ein Kleingewerbe angemeldet habe; für dieses habe er ein Firmenauto, das ausschließlich für die Firma und nicht privat genutzt werde. Das „Firmengeld“ bleibe „das ganze Jahr ja in meiner Firma, weil ich privat ab den 01.09.2021 ausschließlich von der Grundsicherung lebe, weil ich Privat und Firma finanziell trenne“. Selbstverständlich stehe dem Staat auch Geld zu, wenn er Gewinne erwirtschafte. Sofern dies der Fall sei, werde er dies, wenn er am 31. Dezember den Jahresabschluss gemacht habe, sofort mitteilen. Dem Schreiben beigefügt war die Kopie einer Gewerbe-Ummeldung vom 18. Januar 1999, aus der sich ergibt, dass der Antragsteller unter seiner Wohnanschrift ein Gewerbe angemeldet hat(te), dass neben dem Verkauf von PCs, Dienstleistungen (Kleintransporter, Gartenarbeiten), Vermittlung von Waren aller Art außer Lebensmitteln und Vermietung von Fahrzeugen an Selbstfahrer nunmehr auch einen privaten Fahrer-Service zum Gegenstand haben sollte. Auf LA Bl. 52 wird verwiesen.
Der Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 9. Juni 2021 zur Vorlage weiterer Unterlagen auf, unter anderem des Rentenbescheides (nach dessen Erhalt), des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2020 wegen des Gewerbes, von Nachweisen über Lebensversicherungen und Ähnliches, da der Antragsteller hierzu bislang keine Angaben gemacht habe, einer Erklärung zu dem bei ihm vorhandenen PKW, zu dem er bisher lediglich angegeben habe, dass er diesen nur für sein Kleingewerbe nutze, einer Kopie des Mietvertrages und von Nachweisen zu den Heizkosten sowie vollständiger Kontoauszüge für die Monate Mai, Juni und Juli 2021. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 56 f. verwiesen.
In der Folgezeit kam es zu ausführlicher Korrespondenz der Beteiligten, in deren Rahmen der Antragsteller einige weitere Angaben machte, andererseits zum Beispiel zu den sein Gewerbe betreffenden Fragen in einem Schreiben vom 12. Juni 2021 darauf verwies, dass er „als Privatperson“ einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt habe; als Privatperson könne er „zur Firma nichts sagen […] wegen Datenschutz“. Wenn der Antragsgegner Fragen zur Firma habe, solle er die Firma anschreiben; er, der Antragsteller, denke, „sie antwortet ihnen“. Auch hielt er grundsätzlich daran fest, dass der Antragsgegner Anspruch auf Informationen erst ab dem 1. September 2021, also dem voraussichtlichen Leistungsbeginn, h...