Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Terminsgebühr bei Beendigung des Verfahrens durch schriftlichen Vergleich
Orientierungssatz
1. Wird ein sozialgerichtliches Verfahren durch außergerichtlichen Vergleich aufgrund entsprechender schriftlicher Prozesserklärungen der Beteiligten beendet und das Vergleichsergebnis in einem feststellenden Beschluss des Kammervorsitzenden festgehalten, so fällt neben der Verfahrens- und Einigungsgebühr nicht die Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG an. Eine Feststellung des Verfahrensergebnisses durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO oder nach § 106 Abs. 2 VwGO ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht erforderlich.
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nr. 3106 unterscheiden sich von denen der Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG. Das Fehlen einer gesetzgeberischen Regelung für einen schriftlichen Vergleich in Nr. 3106 VV RVG ist für das sozialgerichtliche Verfahren bewusst erfolgt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Nichtanfall einer Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren nach Abschluss eines schriftlichen Vergleichs verfassungsgemäß.
Tenor
I. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 14. April 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung für den im Rechtsstreit S 24 R 450/08 (QI./Deutsche Rentenversicherung Hessen) für den Kläger nach den Vorschriften der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt (Erinnerungsführer und Beschwerdeführer). Das Ausgangsverfahren wurde auf der Grundlage schriftlicher Prozesserklärungen der Beteiligten durch außergerichtlichen Vergleich erledigt und das Vergleichsergebnis in einem feststellenden Beschluss des Kammervorsitzenden vom 10. März 2008 festgehalten. Mit Kostennote vom 25. März 2008 beantragte der Antragsteller gemäß § 45 RVG Gebühren und Auslagen in Höhe von 827,47 Euro festzusetzen, darunter auch eine Terminsgebühr (VV 3106) in Höhe von 200,00 Euro. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte insgesamt 589,47 Euro fest und begründete seine Festsetzung vom 8. August 2008 damit, dass eine Terminsgebühr nicht entstanden sei. Keine der drei Alternativen der Nr. 3106 VV RVG sei erfüllt, die Nr. 3104 VV RVG sei nicht anwendbar. Die Korrektur eventueller redaktioneller Versehen bei der Formulierung der Nachbemerkung zu Nr. 3106 VV RVG obliege dem Gesetzgeber. Die Erinnerung des Antragstellers, der der Urkundsbeamte nicht abgeholfen hat, wurde vom Sozialgericht durch Beschluss vom 14. April 2009 zurückgewiesen. Eine sogenannte fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 1 VV RVG sei nicht angefallen. Danach entstehe eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Die Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei nicht ergangen. Vielmehr habe das Verfahren durch eine Erledigungserklärung des Antragstellers im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs geendet, die als Rücknahme auszulegen gewesen sei. Eine analoge Anwendung der Nr. 3106 Ziffer 1 VV RVG scheide in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke aus. Dem Beschluss ist die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, dass Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt werden kann.
Gegen den ihm am 23. April 2009 zugestellten Beschluss richtetet sich die vom Antragsteller am 20. Mai 2009 eingelegte Beschwerde. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat er Prozesskostenhilfe beantragt. Anhand der Rechtsprechung zahlreicher Sozialgerichte werde deutlich, dass der Gesetzgeber tatsächlich in diesem Fall übersehen habe, dass keineswegs bewusst die Terminsgebühr in gerichtsfreien sozialgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen werden sollte. Es sei zu erwarten, dass dieser redaktionelle Fehler bei nächster Gelegenheit behoben werde, der nicht zu Lasten der Anwaltschaft gewertet werden könne. Auch wenn der Staat knappere Ressourcen habe, führe eine angemessene Vergütung der Rechtsanwaltschaft letztlich auch zu einer Entlastung der Justiz. Im Übrigen bestehe im vorliegenden Fall für eine restriktive Auslegung der gesetzlichen Regelung kein Rechtschutzbedürfnis, da letztendlich sozialgerichtliche Verfahren langwierig und für die Anwaltschaft kostenintensiv bei minimalen Gebühren seien.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
ihm für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter seiner Beiordnung Prozesskostenhilfe zu gewähren, ferner den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 14. April 2009 aufzuheben und seine Gebühren und Auslagen für das Ausgangsverfahren auf insgesamt 827,47 Euro festzusetzen.
Der Antrags- und Beschwerdegegner beantragt (sinngemäß),
den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zurückzuweisen...