Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerde gem § 172 Abs 3 Nr 1 SGG nF. einstweiliger Rechtsschutz. keine Zulassung durch Ausgangs- oder Rechtsmittelgericht. Statthaftigkeit einer Beschwerde gem § 172 Abs 3 Nr 1 SGG nF. Zulässigkeit im Hauptsacheverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG kann eine gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG idF des Änderungsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I S. 444) - SGG n.F. nicht statthafte Beschwerde weder vom Ausgangs- noch Rechtsmittelgericht zugelassen werden.

2. Die Beschwerde gegen einen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG n.F. nur statthaft, wenn die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG n.F. für das Hauptsacheverfahren erfüllt sind. Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG können die Rechtsmittelbefugnis für den einstweiligen Rechtsschutz nicht erweitern.

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

IV. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter anwaltlicher Beiordnung wird abgelehnt.

 

Gründe

Über die am 4. Juli 2008 beim Hess. Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2008, ihm zugestellt am 6. Juni 2008, mit den sinngemäßen Anträgen

1. die Beschwerde zuzulassen,

2. den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2008 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfang abzulehnen,

kann der Senat in der Sache keine Entscheidung treffen, weil sie bereits hinsichtlich beider Anträge unzulässig ist.

Zu 1.: Der Senat ist nicht befugt, eine Beschwerde zuzulassen, die nicht gesetzlich statthaft ist. Eine gesonderte Zulassungskompetenz ist für das Beschwerdeverfahren in §§ 172 ff. SGG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) - SGG F. 2008 -, in Kraft seit dem 1. April 2008 (Art. 4 des Änderungsgesetzes) dem Beschwerdegericht nicht eingeräumt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG F. 2008 auf die Zulässigkeit des Rechtsstreits in der Hauptsache verweist. Der Verweis verdeutlicht vielmehr, dass die Zulässigkeit der Beschwerde ausschließlich von der Zulässigkeit der Berufung im Hauptsacheverfahren abhängig sein soll, ohne darüber hinaus ein eigenständiges Zulassungsverfahren vorzusehen, welches ohnehin nicht der gebotenen Eile im einstweiligen Rechtsschutz Rechnung tragen könnte. Soweit § 144 Abs. 2 und 3 SGG für die Berufung eine Zulassungskompetenz des Ausgangsgerichts vorsehen und § 145 SGG auf Beschwerde diese dem Rechtsmittelgericht einräumt, ist sie daher auf das Berufungsverfahren selbst beschränkt (so im Ergebnis auch: Hess. LSG, 29. Juli 2008 - L 6 AS 174/08 B ER).

Zu 2.: Die Beschwerde selbst ist ebenfalls unzulässig, weil sie gemäß § 172 Abs. 3 S. 1 SGG F. 2008 i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG F. 2008 nicht statthaft ist (hierzu bereits: Senat, 1. Juli 2008 - L 7 SO 59/08 B ER - und 26. Juni 2008 - L 7 AS 164/08 B ER -).

Die Berufung wäre nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder S. 2 SGG F. 2008 nur statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung betrifft, mehr als 750,00 € beträgt oder wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Beschwerde betrifft ausschließlich Leistungen für den Zeitraum vom 4. Juni bis 30. Juni 2008 in Höhe von höchstens 168,00 € (187 : 30 X 27 = 168,30 = gerundet 168,00; § 41 SGB II), wenn man zu Gunsten des Antragsgegners davon ausgeht, dass die im Bescheid vom 11. März 2008 angeordnete Absenkung in Höhe von 187,00 € auf den Monat bezogen sein soll, obwohl das nicht ausdrücklich verfügt ist.

Soweit für das Berufungsverfahren gemäß § 144 Abs. 2 und 3 SGG weiter die Berufung eröffnet ist, wenn sie unter den dort genannten Voraussetzungen vom Sozialgericht zugelassen ist oder auf die Beschwerde nach § 145 SGG vom Rechtsmittelgericht zugelassen wird, kann das für das einstweilige Rechtsschutzverfahren keine weitere Rechtsmittelbefugnis eröffnen, weil das Sozialgericht erst mit der Entscheidung in der Hauptsache über die Zulassung der Berufung zu entscheiden hat, während einstweiliger Rechtsschutz allein für den Zeitraum bis zu dieser Entscheidung gewährt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG auf dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung ist mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig, weil dem Antragsteller rechtskräftig ein vorrangiger Erstattungsanspruch gegenüber dem Antragsgegner zusteht.

Ist damit über die Beschwerde ...

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