Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur vorläufigen Befugnis eines Radiologen computertomographische Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung abzurechnen

 

Orientierungssatz

1. Einstweiliger Rechtsschutz ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren immer dann zu gewähren, wenn durch seine Versagung schwere, unzumutbare und anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, die nachträglich auch durch eine günstige Hauptsacheentscheidung nicht mehr oder nur noch teilweise behoben werden können (vgl BVerfG vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 = BVerfGE 46, 166). Dabei wird allgemein ein Rückgriff auf § 123 VwGO für zulässig und geboten erachtet. Bei einem geltend gemachten Anspruch eines Radiologen, den Zugang zur Abrechnung von computertomographischen Leistungen im Rahmen der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten, handelt es sich um ein solchermaßen einzuordnendes Rechtsverhältnis iS von § 123 VwGO.

2. Die Einräumung der vorläufigen Abrechenbarkeit von Leistungen, die mit dem Computertomographen erbracht werden, widerspricht nicht dem Grundsatz, wonach die einstweilige Anordnung im allgemeinen nur der Sicherung von Rechten des Antragstellers dienen soll und nicht ihrer Befriedigung.

3. Dem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache wird insoweit Rechnung getragen, als die vorläufige Abrechnungsmöglichkeit auf insgesamt 1000 Fälle im Quartal beschränkt wird.

4. Eine Einzelfallprüfung, bei der lediglich über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung eines Standortes entschieden und dabei noch nicht einmal die Planungsvorgabe eingehalten wird, stellt keine die widerstrebenden Interessen berücksichtigende und auch für den Einzelnen durchschaubare Planung dar, die als Grundlage für eine Entscheidung über den bedarfsgerechten Standort eines Computertomographen herangezogen werden könnte.

5. Die Regelung des § 92 Abs 1 S 2 Nr 9 und Abs 6 SGB 5 halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung Gesetzesvorbehalt und Bezugsfreiheit nicht stand. Sie sind keine wirksame Rechtsgrundlage für einen Ausschluß eines Radiologen von der Abrechnung erbrachter computertomographischer Leistungen.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.08.1991; Aktenzeichen S-5/Ka-1471/91A)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen zu 2) und zu 3) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. August 1991 wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Antragsteller bis zu 1.000 CT-Untersuchungen im Quartal abrechnen kann.

2. Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 2) und 3) haben dem Antragsteller als Gesamtschuldner die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller vorläufig befugt ist, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung mit einem von ihm angeschafften Gerät Leistungen der Computertomographie abzurechnen.

Der Antragsteller nimmt seit dem 6. September 1991 als niedergelassener Radiologe an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teil. Er verfügt über die fachlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Computertomographie des Ganzkörpers einschließlich des Kopfes nach Maßgabe der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Radiologie und Nuklearmedizin (Radiologie-Richtlinien).

Am 4. Mai 1990 beantragte der Antragsteller erstmals nach § 25 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in der bis zum 30. September 1990 geltenden Fassung die Erteilung der Zustimmung der Antragsgegnerin zum Einsatz eines Computertomographen in der von ihm in F. zu gründenden Kassenarztpraxis. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller noch als radiologischer Oberarzt im Kreiskrankenhaus Bad H. tätig. Diese Tätigkeit hat der Antragsteller zum 15. Mai 1991 aufgegeben.

Nach erfolgter Antragstellung wurden auf Anregung der Beigeladenen zu 16) Gespräche unter Einbeziehung des Antragstellers geführt, die in F. die Bildung einer Apparategemeinschaft hinsichtlich der an den Städtischen Kliniken betriebenen bzw. am H.-J.-Krankenhaus in Aussicht genommenen CT-Geräte zum Inhalt hatten.

Am 22. November 1990 beschloss der Beigeladene zu 16), das zweite in den Städtischen Kliniken betriebene CT-Gerät unter der Voraussetzung als ambulant anzuerkennen, dass es zukünftig durch eine Apparategemeinschaft mit niedergelassenen Ärzten in F. betrieben wird. Die Apparategemeinschaft sollte nach diesem Beschluss bis zum 30. Juni 1991 zustande kommen. Die Antragsgegnerin teilte dies dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Dezember 1990 mit. Sie verwies in diesem Schreiben darauf, dass dieser Beschluss im Falle des Nichtzustandekommens einer Apparategemeinschaft nach dem 30. Juni 1991 gegenstandslos werde.

Zur Bildung einer solchen Apparategemeinschaft kam es in der Folgezeit nicht.

Gegen das Schreiben der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 1990 legte der Antragsteller Widerspruch ein und erhob zugleich Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zur verurteilen, ärztliche Sachleistungen, die von ihm mit einem Computertomograp...

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