Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutz. Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Tariffähigkeit der CGZP. Equal-Pay. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Rechtsschutzbedürfnis Verzinsungsauflage
Orientierungssatz
1. Für das im einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, wenn die gerichtliche Entscheidung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann. Es entfällt aber, wenn die Behörde die Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 86 a Abs. 3 SGG aussetzt, dies zusichert oder ohne förmliche Entscheidung von der Vollziehung absieht oder wenn gerichtlicher Rechtsschutz anderweitig schneller oder einfacher erlangt werden kann bzw. wenn dieser entbehrlich ist.
2. Verbindet die Behörde die Aussetzung des Vollzugs der von ihr geltend gemachten Beitragsforderung mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung, so rechtfertigt eine solche Verzinsungsauflage nicht die Annahme einer Beschwer, die ein Rechtsschutzbedürfnis für deren Aufhebung zur Folge haben würde. Der Antragsteller hat nämlich die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen die Verzinsungsauflage über § 86 b Abs. 1 SGG zu erreichen. Damit wird die bedingte Verzinsungsauflage nicht bestandskräftig i. S. der Schaffung eines Rechtsgrundes für die Verzinsung der Beitragsforderung.
Normenkette
SGG §§ 86a, 86b Abs. 1, § 197a; VwGO § 154 Abs. 2
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 66.805,64 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), wofür sie im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG ist. In der Vergangenheit hatte die Antragstellerin Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgeschlossen und angewandt.
Für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 erfolgte durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin eine Prüfmitteilung vom 24. August 2010 mit dem Inhalt, dass die durchgeführte Betriebsprüfung keine Feststellungen bzw. Beanstandungen ergeben habe.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) die Rechtsbeschwerde gegen die Feststellung, dass die Tarifgemeinschaft CGZP nicht tariffähig sei, zurückgewiesen hatte, führte die Antragsgegnerin in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 9. Dezember 2013 für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit ergänzendem Bescheid vom 10. Februar 2014 erhob sie nach der Anhörung der Antragstellerin gegenüber dieser eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 267.222,56 €.
Gegen den Beitragsbescheid vom 10. Februar 2014 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2014, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 12. Februar 2014, Widerspruch erhoben. Am 14. März 2014 hat die Antragstellerin die "Aussetzung der Vollziehung" der streitgegenständlichen Beitragsforderung bei der Antragsgegnerin beantragt und zugleich bei dem Sozialgericht Darmstadt den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 anzuordnen. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin bestünden. Der Beitragsnacherhebung für die Jahre 2005 - 2009 stünden eine bestandskräftige Prüfmitteilung und die Verjährung der Beitragsforderung entgegen. Eine rückwirkende Beitragsnacherhebung sei zudem unter Vertrauensschutzgesichtspunkten unzulässig, da diese auf der geänderten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung beruhe. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts komme keine Rückwirkung zu. Es steht tarifrechtlich auch nicht fest, dass die CGZP "immer schon" tarifunfähig gewesen sei. Die vor dem 5. Dezember 2005 geschlossenen und bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Tarifverträge habe die CGZP auch als Vertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften abgeschlossen. Soweit die CGZP ab Dezember 2005 nicht mehr als Stellvertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften aufgetreten sei und damit weder die CGZP noch die Mitgliedsgewerkschaften die Tarifverträge aus den Jahren 2003 - 2005 aufgehoben hätten, würden diese unverändert fortgelten. Die Anwendung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf sie verletze sie zudem in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewe...