Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vernehmungsersuchen einer Behörde (hier Versorgungsamt)
Leitsatz (amtlich)
Fordert eine Verwaltungsbehörde (hier Versorgungsamt) wiederholt einen auskunftspflichtigen Zeugen (hier Einen Arzt im Schwerbehindertenverfahren nach SGB IX) erfolglos zur Abgabe seiner Erklärungen (hier. Befundberichte) auf, so bedarf es zur Feststellung dessen grundloser und nachhaltiger Aussageverweigerung nicht auch noch des Nachweises einer erfolglosen Vorladung zur Vernehmung durch die Behörde als Zulässigkeitsvoraussetzung des Vernehmungsersuchens an das Sozialgericht (Distanzierung von LSG Baden-Württemberg, 08.04.2003 – L 6 SB 552/03 B).
Es ist in diesen Fällen der Verwaltungsbehörde kein Ermessenfehlgebrauch vorzuwerfen, wenn sie die Sozialgerichte um die Vernehmung des aussagepflichtigen Zeugen ersucht. Dies kann im Hinblick darauf, daß nur ein Richter und nicht die Behörde selbst Zwangsmittel zur Erzwingung der Aussage des Zeugen einsetzen kann, geboten sein.
Normenkette
SGB X §§ 21-22, 100
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Beschluss vom 19.04.2004; Aktenzeichen S 7 B 15/04 SB) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. April 2004 (S 7 SB 529/04 V) mit der Maßgabe aufgehoben, daß das Sozialgericht Wiesbaden verpflichtet ist, dem Vernehmungsersuchen des Beschwerdeführers nachzukommen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Zu entscheiden ist, ob das Sozialgericht Wiesbaden (SG) das Vernehmungsersuchen des Beschwerdeführers (Bf.) bezüglich des Hausarztes Dr. A. (Dr. M.) des Antragstellers im Schwerbehindertenverfahren B. (Ast.) ablehnen durfte.
Mit dem Schreiben vom 8. Mai 2003 forderte der Bf. Dr. M. auf, zu den vom Ast. angegebenen Gesundheitsstörungen einen Befundbericht abzugeben. Darin hieß es u.a.: „Unter Hinweis auf die Verpflichtung gemäß § 12 Abs. 2 des Verfahrensgesetzes-Kriegsopferversorgung und des § 100 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) werden sie gebeten, ihre Krankenpapiere und sonstigen Untersuchungsunterlagen dem Arztlichen Dienst des HAVS zur Einsicht zu überlassen. Nach § 100 Abs. 1 SGB X ist der Arzt verpflichtet, dem HAVS im Einzelfall auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit es für die Durchführung von dessen Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist und der Betroffene im Einzelfall eingewilligt hat”. Unter dem 25. Juni 2003 erinnerte der Bf. Dr. M. daran. Nachdem auch dies erfolglos war, erging an Dr. M. unter dem 4. August 2003 eine erneute Aufforderung mit Fristsetzung zum 1. September 2003. Dazu hieß es wertet, daß er bei Nichteinhaltung dieser Frist gehalten sei, „bei dem zuständigen Gericht die richterliche Vernehmung gemäß § 22 SGB X zu veranlassen und die Ärztekammer von dieser Maßnahme zu unterrichten”. Da auch diese Aufforderung unbeantwortet blieb, erinnerte der Bf. erneut mit Schreiben vom 9. September 2003 mit dem Hinweis, daß Dr. M. nach § 100 Abs. 1 SGB X zur Abgabe des Befundberichtes verpflichtet sei. Nachdem hierauf Dr. M. ebenfalls nicht reagiert hatte, ersuchte der Bf. das SG mit dem am 3. März 2004 eingegangene Schreiben vom 23. Februar 2004 Dr. M. zu vernehmen. Dieses Vernehmungsersuchen wies das SG unter Hinweis auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. April 2003 (Az.: L 6 SB 552/03 B) zurück. Es hat dazu ausgeführt: Eine Aussageverweigerung des Dr. M. liege nur dann vor, wenn der Zeuge seiner Verpflichtung nicht nachkomme, gegenüber der Behörde in einer mündlichen Vernehmung, zu der er ordnungsgemäß geladen worden sei, Auskunft zu geben. Eine solche Aussageverweigerung liege bei Dr. M. nicht vor, da er bisher nicht zur mündlichen Vernehmung geladen worden sei. Die Verletzung der Pflicht zur Erstattung einer schriftlichen Auskunft stelle keine Aussageverweigerung dar.
Gegen diesen am 26. April 2004 zugestellten Beschluß hat der Bf. bei dem SG am 25. Mai 2004 Beschwerde eingelegt, der das SG am 26. Mai 2004 nicht abgeholfen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten des Bf. und der Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173, 174 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –) ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG war dieses verpflichtet, dem Vernehmungsersuchen des Bf. zu entsprechen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dazu erfüllt sind (§§ 21 Abs. 3, 22 Abs. 1, 100 SGB X). Es liegt mit dem Vernehmungsersuchen des Bf. an das SG auch kein Ermessensfehlgebrauch durch diesen vor, wie in den Fällen der vorliegenden Art der erkennende Senat bereits durch Beschluß vom 25. Oktober 2001 (Az.: L 4 B 86/01 RH) entschieden hat. Auf diesen Beschluß wird vollinhaltlich Bezug genommen.
Nach § 22 Abs. 1 SGB X kann die Behörde das für den Wohnsitz des Zeugen zuständige Sozialgericht um die Vernehmung ersuchen, wenn dieser ohne Vorliegen eines der in der Zivilprozeßordnung (ZPO) bezeichneten Gründe öle Aussage verweigert, zu der er nach § 21 Abs....