Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Umwelt- bzw Abwrackprämie. zweckbestimmte Einnahme. Gerechtfertigkeit. Vermögensberücksichtigung. Überschreitung der Angemessenheitsgrenze für das Kfz. Absetzung des freibleibenden Grundfreibetrages des § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Die staatliche Umweltprämie (sog Abwrackprämie) ist eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2. Die der Umweltprämie eigene öffentlich-rechtliche Zweckrichtung würde vereitelt, wenn der Leistungsträger sie als leistungsminderndes Einkommen berücksichtigte.
2. Die Zahlung der Umweltprämie verringert nicht den Hilfebedarf des Empfängers, so dass daneben Leistungen nach dem SGB 2 gerechtfertigt sind.
3. Soweit das neu angeschaffte Kraftfahrzeug Vermögen iS des § 12 SGB 2 darstellt, kommt eine Berücksichtigung nur in Betracht, wenn die Angemessenheitsgrenze des § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 (von 7.500,00 €) überschritten wird und der verbleibende Betrag die gem § 12 Abs 2 SGB 2 abzusetzenden Freibeträge übersteigt.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 1. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellerinnen die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für den Monat September 2009 durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 10. August 2009 erhobenen Widerspruches gegen den Bescheid vom 4. August 2009 bzw. der am 2. September 2009 erhobenen Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 sowie für die Zeit ab Oktober 2009 durch Erlass einer einstweiligen Anordnung streitig. Streitig ist dabei insbesondere, ob die Antragsgegnerin zu Recht die der Antragstellerin zu 1. am 21. Juli 2009 zugeflossene staatliche sog. “Umweltprämie„ für den Erwerb eines Neuwagens in Höhe von 2.500,00 € leistungsmindernd angerechnet hat.
Wegen des Verfahrensganges wird zunächst auf die Darstellung des Tatbestandes im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 1. Oktober 2009, zugestellt am selben Tag, verwiesen. Das Sozialgericht hat mit diesem Beschluss die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 4. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 angeordnet und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 2. September 2009 vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Außerachtlassung der gewährten “Umweltprämie„ als Einkommen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 wurde am 2. September 2009 Klage erhoben.
Die Antragsgegnerin hat am 1. Oktober 2009 Beschwerde erhoben, ohne diese jedoch in der Folgezeit zu begründen. Vielmehr hat sie lediglich auf die im angefochtenen Beschluss zitierten Gerichtsentscheidungen verwiesen, mit denen eine Anrechnung der Umweltprämie als Einkommen bejaht worden ist. Auch erstinstanzlich hat sich die Antragsgegnerin inhaltlich nicht geäußert und stattdessen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 1. Oktober 2009 aufzuheben, soweit dem Eilantrag der Antragstellerinnen stattgegeben worden ist, und den Eilantrag insgesamt abzulehnen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweisen auf den nach ihrer Auffassung zutreffenden Beschluss des Sozialgerichts Marburg und legen ergänzend eine eidesstattliche Versicherung des X. Y. (Vermittler des neu erworbenen Pkw) vom 15. Oktober 2009 vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat dem Eilantrag der Antragstellerinnen zutreffend in dem ausgeführten Umfang stattgegeben und diesen lediglich für den 1. September 2009, den Tag vor Eingang der Antragsschrift vom 28. August 2009 (eingegangen am 2. September 2009), abgelehnt.
Zunächst ist das Sozialgericht beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz für die Zeit vom 2. bis 30. September 2009 im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von (Widerspruch und) Klage gegen den Bescheid vom 4. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 mit entsprechender Verpflichtung zur Folgenbeseitigung und für die Zeit ab dem 1. Oktober 2009 durch Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kam und auch zu gewähren war.
Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung, sofern nicht durch Bundesgesetz anderes geregelt ist (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Eine solche bundesgesetzliche Regel...