Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Sachstandsanfrage bei Behörde vor Erhebung der Untätigkeitsklage
Orientierungssatz
1. Eine vorübergehende besondere Belastung wegen einer Gesetzesänderung kann ein zureichender Grund iS des § 88 SGG sein. Eine Untätigkeitsklage ist aber nur dann unzulässig, wenn der Kläger diesen Grund kennt. Dabei reichen allgemeine Nachrichten in der Öffentlichkeit und Presse zur Belastungssituation der Behörde nicht aus.
2. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung vor Erhebung der Untätigkeitsklage bei der Behörde nach dem Sachstand zu fragen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss desSozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2007 aufgehoben undder Antragsgegner verpflichtet, die im Verfahren S 41 AS 368/07 vordem Sozialgericht Frankfurt am Main entstandenen außergerichtlichenKosten der Antragstellerin zu erstatten.
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Erstattung der außergerichtlichen Kosten einer Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main.
Die Antragstellerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II. Anlässlich einer Vorsprache bei dem Antragsgegner verzichtete sie am 4. Oktober 2006 ab dem 1. November 2006 auf Leistungen. Aufgrund dieses Verzichts stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 die Leistungen mit Ende des Monats Oktober 2006 ein. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 9. Oktober 2006 Widerspruch. Am 23. Oktober 2006 bestätigte der Antragsgegner den Eingang des Widerspruchs und teilte mit, dass der Widerspruch an die Widerspruchsstelle abgegeben worden sei. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 fragte die Antragstellerin an, ob wieder Leistungen bezahlt würden und teilte mit weiterem Schreiben vom 6. Dezember 2006 mit, dass ihre Wohnung fristlos gekündigt worden sei.
Am 7. November 2006 beantragte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Beschluss vom 6. Februar 2007 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab, da die Klägerin auf Leistungen verzichtet habe.
Aufgrund eines erneuten Antrags der Antragstellerin gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. Februar 2007 wieder Leistungen ab 1. Februar 2007.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main legte die Antragstellerin am 14. Februar 2007 Beschwerde ein und teilte mit Schriftsatz vom 14. März 2007 mit, dass sie am gleichen Tage Untätigkeitsklage erhoben habe. Am 30. April 2007 erklärten die Beteiligten übereinstimmend das Beschwerdeverfahren für erledigt, nachdem der Antragsgegner den Erlass des Widerspruchsbescheides in Kürze in Aussicht gestellt hatte.
Am 16. März 2007 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Untätigkeitsklage erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 3. Mai 2007 hat die Antragstellerin am 10. Mai 2007 die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner und trägt vor, für die Verzögerung habe es einen zureichenden Grund gegeben. Die verzögerte Bearbeitung habe an der extrem hohen Anzahl von Widersprüchen seit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2005 (SGB II) gelegen. Im Übrigen habe er zu diesem Zeitpunkt auch eine große Anzahl von Akten von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. Die eingehenden Widersprüche würden nach Eingang chronologisch abgearbeitet.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind. In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsgegner habe wegen der hohen Anzahl an Widersprüchen aufgrund der Gesetzesänderung einen zureichenden Grund für die Verzögerung dargelegt. Im Übrigen sei es der Klägerin vor Erhebung der Untätigkeitsklage zuzumuten gewesen, bei der Behörde durch eine Sachstandsanfrage oder Anmahnung des Widerspruchsbescheides vorstellig zu werden.
Gegen diesen am 31. Mai 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 4. Juni 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2007 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die im Verfahren S 41 AS 368/07 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und bezieht sich auf sein seitheriges Vorbringen. Ergänzend weist er darauf hin, dass wegen der Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der sich in Bearbeitung befindliche Widerspruchsvorgang bis zur Entscheidung durch das Landessozialgericht geruht habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Ant...