Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrens- und (fiktive) Terminsgebühr bei Untätigkeitsklage. vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren. Gebührenrahmen. Bemessung. Untätigkeitsklage. Verfahrensgebühr. Vorherige Tätigkeit im Verwaltungsverfahren. Terminsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG kommt die Nr. 3103 VV-RVG zur Anwendung, wenn bei ihrer Erhebung der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren tätig war, da sich aus dem Vorverfahren Synergieeffekte ergeben.
2. Die Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Rahmen einer Untätigkeitsklage ist im Regelfall mit der halben Mittelgebühr (85,- €) angemessen vergütet.
3. Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG entsteht im Falle einer Untätigkeitsklage nur dann, wenn der Leistungsträger den begehrten Bescheid erlässt, der Rechtsstreit daraufhin für erledigt erklärt wird, bei Klageerhebung die Frist des § 88 SGG abgelaufen und kein zureichender Grund für eine verspätete Entscheidung des Leistungsträgers vorhanden war.
Normenkette
RVG § 14 Abs. 1; VV-RVG Nrn. 3102-3103, 3106; SGG § 88
Tenor
Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. November 2011 - L 2 AS 517/11 B - wird insoweit abgeändert, als die Vergütung des Beschwerdeführers für seine Tätigkeit in dem Verfahren S 5 AS 21/07 auf insgesamt 274,30 € festgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Kläger des Rechtsstreites vor dem Sozialgericht Marburg S 5 AS 21/07 gegen den Landkreis A-Stadt (Beklagter) hatten im Juli 2006 die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) beantragt. Der Antrag wurde von dem Beklagten mit Bescheid vom 22. September 2006 abgelehnt. Hiergegen richteten sich die Kläger über den Beschwerdeführer mit Widerspruch.
Am 8. Februar 2007 erhob der Beschwerdeführer für die Kläger Untätigkeitsklage (S 5 AS 21/07) bei dem Sozialgericht Marburg.
Mit Bescheid vom 15. März 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Hierauf erfolgte in dem Gerichtsverfahren S 5 AS 21/07 unter dem 23. März 2007 die Erklärung, dass damit die Untätigkeitsklage erledigt sei. Mit Beschluss vom 11. Juni 2007 bewilligte das Sozialgericht den Klägern Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 5 AS 21/07. Der Beklagte erklärte sich bereit, von den außergerichtlichen Kosten des Verfahrens 200,00 € zu übernehmen.
Für das Verfahren S 5 AS 21/07 stellte der Beschwerdeführer Kosten in Höhe von insgesamt 487,90 € in Rechnung. Der Kostenbeamte kürzte die Rechtsanwaltsvergütung auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 217,17 €. Er setzte dabei eine Verfahrensgebühr nach der Ziffer 3102 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 125,00 € (halbe Mittelgebühr), eine Erhöhung nach der Ziffer 1008 VV-RVG in Höhe von 37,50 € sowie Schreibauslagen in Höhe von 20,00 € und Umsatzsteuer fest. Eine Terminsgebühr brachte der Kostenbeamte nicht in Ansatz.
Gegen die Kostenfestsetzung vom 3. Juli 2008 erhob der Beschwerdeführer Erinnerung, mit der er eine Kostenfestsetzung in Höhe von 487,90 € geltend machte.
Mit Beschluss vom 14. September 2011 wies das Sozialgericht die Erinnerung zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, im Rahmen der Untätigkeitsklage sei in der Regel der Ansatz der halben Mittelgebühr des Gebührenrahmens nach der Nr. 3103 VV-RVG angemessen. Auch zu Recht habe der Kostenbeamte eine Terminsgebühr nicht in Ansatz gebracht. Dem Beschwerdeführer stünden damit 155,29 € an Vergütung für das Verfahren S 5 AS 21/07 zu. Hiervon seien 200,00 € abzuziehen, die den Klägern von dem Beklagten gezahlt würden. Der Beschwerdeführer sei nach alledem durch den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht beschwert. In den Gründen des Beschlusses ließ das Sozialgericht die Beschwerde zu.
Am 21. September 2011 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. September 2011 ein mit der Begründung, es bestehe kein Grund, von der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts abzuweichen, wonach eine Terminsgebühr entstanden sei. Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab.
Der Beschwerdeführer beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 14. September 2011 aufzuheben und die aus der Staatskasse an ihn zu zahlende Vergütung auf insgesamt 487,90 € festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten L 2 AS 517/11 B, S 5 AS 21/07 und S 5 AS 56/07, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Der in diesem Verfahren unter dem 28. November 2011 ergangene Senatsbeschluss war aus den den Beteiligten mit richterlichen Schreiben vom 3. Februar und 1. März 2012 bekanntgegebenen Gründen in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang von Amts wegen abzuändern.
Dem Beschwerdeführer steht nur eine Vergütung in Höhe von 274,30 € ...