Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten. Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer. Versäumung der Ausschlussfrist des § 198 Abs 5 S 2 GVG. keine Hemmung einer Rechtsmittelfrist durch isoliert gestellten, erfolglosen PKH-Antrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Frist des § 198 Abs 5 S 2 GVG, wonach eine Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der das Ausgangsverfahren beendenden Entscheidung oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden muss, handelt sich um eine sog Ausschlussfrist, nach deren Ablauf materiell eine Verwirkung des Entschädigungsanspruchs eintritt.

2. Der Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung im Ausgangsverfahren wird nur gehemmt, wenn innerhalb der gesetzlichen Frist tatsächlich das insoweit gegebene Rechtsmittel eingelegt wird (vgl § 160a Abs 3 SGG). Ein isoliert gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren, der ohne Erfolg bleibt und nicht zu einer Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist führt, hemmt nicht den Ablauf der Rechtsmittelfrist.

3. Eine erst sechs Monate nach Ablehnung des isoliert gestellten Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren erhobene Entschädigungsklage wahrt nicht die Ausschlussfrist des § 198 Abs 5 S 2 GVG.

 

Normenkette

GVG § 198 Abs. 5 S. 2; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; SGG § 73a

 

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Entschädigungsklage nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hinsichtlich der Unfallversicherungs-Streitsache S 3 U 67/06 (Sozialgericht Marburg) bzw. L 9 U 68/10 (Hessisches Landessozialgericht).

Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg erhob der Antragsteller am 5. Oktober 2006 eine Klage gegen die Unfallkasse Hessen, mit welcher er unter anderem eine ambulante Schmerztherapie beanspruchte. Die Klage wurde seitens des Sozialgerichts durch Urteil vom 17. Dezember 2009, zugestellt am 25. Januar 2010, als unbegründet abgewiesen. Die am 25. Februar 2010 erhobene Berufung des Antragstellers wurde durch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. November 2014 zurückgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Antragsteller ausweislich Postzustellungsurkunde am 16. Dezember 2014 zugestellt. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 28. November 2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines postulationsfähigen Rechtsbeistands zu bewilligen, wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10. März 2015 (B 2 U 1/15 BH) abgelehnt.

Am 24. September 2015 hat der Antragsteller den hier maßgeblichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Er vertritt die Auffassung, dass ihm wegen überlanger Dauer des Ausgangsverfahrens eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG in Höhe von mindestens 7.300,00 € zuzüglich Prozesszinsen zu gewähren sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die Akten des Ausgangsverfahrens.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend gilt, erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. Beschlüsse vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 = NJW-RR 2004, 1053 und vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07 - juris) auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gebotes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) dahingehend auszulegen, dass eine Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes erreicht wird. Allerdings ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Davon ausgehend beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Bew...

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