Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlussfrist für die Erhebung einer Entschädigungsklage. Nichtzulassungsbeschwerde. Antrag auf Prozesskostenhilfe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Orientierungssatz
1. Nach § 198 Abs. 5 S. 2 GVG muss eine Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet hat, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden.
2. Die Frist hat materielle Ausschlusswirkung mit der Folge, dass nach deren Ablauf der Anspruch auf Entschädigung erlischt. Bei Fristversäumnis ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.
3. Nur die tatsächliche Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils, nicht jedoch ein hinsichtlich einer beabsichtigten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erfolglos gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Normenkette
GVG § 198 Abs. 5 S. 2; SGG § 160a Abs. 3
Nachgehend
Tenor
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
- Der Streitwert wird auf 7.300,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung infolge der vom Kläger geltend gemachten unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens.
Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg (Az.: S 3 U 67/06) erhob der Kläger am 5. Oktober 2006 eine Klage gegen die Unfallkasse Hessen, mit welcher er unter anderem eine ambulante Schmerztherapie beanspruchte. Die Klage wurde seitens des Sozialgerichts durch Urteil vom 17. Dezember 2009, zugestellt am 25. Januar 2010, als unbegründet abgewiesen. Die am 25. Februar 2010 erhobene Berufung des Klägers wurde durch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 9 U 68/10) vom 28. November 2014 zurückgewiesen. Dieses Urteil wurde dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde am 16. Dezember 2014 zugestellt. Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 28. November 2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines postulationsfähigen Rechtsbeistands zu bewilligen, wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 10. März 2015 (B 2 U 1/15 BH) abgelehnt.
Am 24. September 2015 hat der Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht zunächst einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Entschädigungsklage wegen der seines Erachtens überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens nach gestellt. Dieser Antrag ist durch Beschluss des erkennenden Senats vom 16. Februar 2016 (Az.: L 6 SF 56/15 PKH) mit der Begründung abgelehnt worden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe, weil die in § 198 Abs. 5 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) genannte Sechs-Monats-Frist zur Erhebung einer Entschädigungsklage verstrichen sei und weil eine solche Klage im vorliegenden Fall deshalb abzuweisen sein würde. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Klägers gegen diese Entscheidung sind durch Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2016 (Az.: L 6 SF 19/16 RG) als unzulässig verworfen worden.
Am 29. April 2016 hat der Kläger die hier maßgebliche Entschädigungsklage erhoben. Er vertritt die Auffassung, dass die Klage zulässig sei, da für den Beginn der sechsmonatigen Klagefrist auf die am 25. März 2015 erfolgte Zustellung des Beschlusses des Bundessozialgerichts vom 10. März 2015 über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für seine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde abzustellen sei. Die Klage sei auch begründet, weil das Ausgangsverfahren eine Überlänge von 73 Monaten gehabt habe, woraus sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von mindestens 7.300,00 € ergebe.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
an ihn als Entschädigung wegen überlanger Dauer der Unfallversicherungs-Streitsache S 3 U 67/06 (Sozialgericht Marburg) bzw. L 9 U 68/10 (Hessisches Landessozialgericht) mindestens 7.300,00 € zuzüglich Prozesszinsen zu zahlen,
hilfsweise,
ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte, der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2016 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten gewesen ist, beantragt (sinngemäß),
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Entschädigungsklage wegen Versäumens der Klagefrist unzulässig sei. Die Rechtskraft der Entscheidung des Ausgangsverfahrens sei am 16. Januar 2015 eingetreten, weil gemäß § 160a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur die (tatsächliche) Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Urteils hemme. Der erfolglos beim Bundessozialgericht gestellte (isolierte) Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom...