Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Übergangsvorschrift für alle bisherigen Leistungserbringer
Orientierungssatz
Mit der Übergangsvorschrift des § 126 Abs 2 SGB 5 soll der grundlegende Systemwechsel im Leistungserbringungsrecht für Hilfsmittel zeitlich gestreckt werden. Eine solche Bestimmung wäre sinnlos, wenn nach Vertragsabschluss der Krankenkasse alle bisherigen Leistungserbringer als Lieferanten sofort aus dem Versorgungssystem herausfallen müssten.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin wird der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts Marburg vom 10. Juni 2008 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin längstens bis zum 31. Dezember 2008 zur Versorgung der Versicherten der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin mit Anti-Dekubitus-Systemen zugelassen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin hat die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 37.500,00 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin versorgt als zugelassene Leistungserbringerin gesetzlich Versicherte der Antragsgegnerin mit Anti-Dekubitus-Systemen. Ab 1. April 2008 hat die Antragsgegnerin die Versorgung ihrer Versicherten mit Anti-Dekubitus-Systemen neu im Wege der öffentlichen Ausschreibung mittels förmlichem Vergabeverfahren vergeben. Die Antragstellerin hatte sich an diesem Verfahren beteiligt, den Zuschlag jedoch nicht erhalten. Die Antragstellerin ist daraufhin von der Antragsgegnerin informiert worden, dass ab 1. Februar 2008 ausschließlich der Ausschreibungsgewinner die neue Versorgung mit Anti-Dekubitus-Systemen vornehmen dürfe. Nur der Ausschreibungsgewinner erhalte das "exklusive Versorgungsrecht". Alle anderen Leistungserbringer kämen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des ausgeschriebenen Vertrages nicht mehr zum Zuge. Die Antragstellerin sei damit von der Versorgung der Versicherten in diesem Bereich ausgeschlossen.
Auf den von der Antragstellerin am 17. April 2008 gestellten Antrag hat das Sozialgericht Marburg mit Beschluss vom 10. Juni 2008 im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass “ die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Antragstellerin bis zum 31. Dezember 2008 (längstens jedoch bis zum rechtskräftigen Abschluss eines eventuellen Hauptsacheverfahrens) zur Versorgung ihrer Versicherten mit Anti-Dekubitus-Systemen zuzulassen„. In den Gründen hat es ausgeführt, dass die Antragstellerin nach der Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) noch als zugelassene Leistungserbringerin bezüglich der Versorgung von gesetzlich krankenversicherten Personen mit den streitgegenständlichen Hilfsmitteln berechtigt sei. Nach § 126 Abs. 2 SGB V solle der grundlegende Systemwechsel im Leistungserbringungsrecht für Hilfsmittel zeitlich gestreckt werden. Für Leistungserbringer, die nach bisherigem Recht zugelassen gewesen seien und mit denen die betreffende Krankenkasse keinen Vertrag abgeschlossen habe, solle der damit einhergehende Wegfall von Erwerbschancen abgefedert werden. Diese Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, sich während einer zeitlich absolut begrenzten Übergangsfrist auf die neue Rechtslage einstellen zu können. Das Wahlrecht der Versicherten, welchen Leistungserbringer sie in Anspruch nehmen, sei auch nach erfolgter Ausschreibung (noch) nicht erloschen. Die Vorschrift des § 33 Abs. 6 SGB V, auf die sich die Antragsgegnerin beziehe, konkretisiere den Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln. Maßgebliche Bedeutung für das Leistungserbringungsrecht sei hieraus schon aus der Gesetzessystematik nicht herzuleiten. Das Sozialgericht hat auch einen Anordnungsgrund bejaht. Die Antragstellerin könne nicht darauf verwiesen werden, im Nachhinein ihre Rechtsposition klären zu lassen und dann gegebenenfalls Schadensersatz geltend zu machen. Dies werde dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht gerecht.
Gegen diesen der Antragsgegnerin am 11. Juni 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die von dieser am 30. Juni 2008 eingelegte Beschwerde. Die Antragsgegnerin rügt, dass sie der in dem angefochtenen Beschluss tenorierten Verpflichtung nicht nachkommen könne, weil eine entsprechende Zulassung durch eine gesetzliche Krankenkasse im Gesetz nicht vorgesehen sei. Die Antragstellerin habe für eine weitere Lieferberechtigung keinen Anspruch. Die Versicherten hätten zwar nach § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB V ein Wahlrecht zwischen den Vertragspartnern und Leistungserbringern aufgrund der Übergangsvorschrift des § 126 Abs. 2 SGB V. Sei allerdings ein Bieterverfahren durchgeführt worden, so müsse aus § 33 Abs. 6 Satz 2 SGB V geschlossen werden, dass die exklusive Versorgung durch den von den Krankenkassen zu benennenden Leistungserbringer (den Ausschreibungsgewinner) vom Gesetz vorgesehen sei. Nur so könne das Instrument der Ausschreibung wirkungsvoll genutzt werden, die vertragl...