Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Bemessungsentgelt. Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen. keine pauschale Erhöhung. Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10. Bestandskraft des Bewilligungsbescheids. Stichtagsregelung
Orientierungssatz
Eine nachträgliche pauschale Erhöhung des Bemessungsentgelts wegen Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt für die Zeit vor dem 22.6.2000 aufgrund eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB 10 ist nicht vorzunehmen, wenn der Ausgangsbescheid am 21.6.2000 bereits bestandskräftig geworden ist. Weder aus § 330 Abs 1 noch aus § 434c SGB 3 lässt sich etwas anderes herleiten.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Es geht in dem Rechtsstreit um höheres Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. April 1999 bis 21. Juni 2000 wegen der vom Kläger begehrten höheren Bemessung unter Berücksichtigung sog. Einmalzahlungen.
Der 1942 geborene Kläger war von 1979 bis zum 31. März 1999 bei L B GmbH in F als Leiter des Einkaufs beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis am 16. Februar 1998 zum 31. März 1999. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung erzielte der Kläger im letzten Jahr vor seinem Ausscheiden ein gleichbleibendes Monatsbruttoeinkommen in Höhe von DM 5.372,--. Der Kläger ist verheiratet und hatte zu Beginn des Jahres 1999 die Steuerklasse 3 auf seiner Lohnsteuerkarte 1999 eingetragen. Ein Kinderfreibetrag war nicht eingetragen.
Am 15. März 1999 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 19. April 1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für 971 Tage ab 1. April 1999 und in Höhe von DM 495,39 wöchentlich unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 1.240,--. Mit Bescheid vom 17. Januar 2000 passte die Beklagte das Arbeitslosengeld des Klägers an die Leistungsverordnung 2000 an und erhöhte es auf DM 507,01 wöchentlich. Im Wege der Dynamisierung erhöhte die Beklagte für die Zeit ab 1. April 2000 das wöchentliche Arbeitslosengeld auf DM 512,26 (Bescheid vom 25. April 2000 -- Bemessungsentgelt DM 1.260,--). Für die Zeit ab 1. Juli 2000 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld in Höhe von DM 545,44 wöchentlich unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 1.390,-- (Bescheid vom 26. Juli 2000).
Mit am 6. Juli 2000 bei der Beklagten zugegangenem Schreiben vom 3. Juli 2000 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich des Bescheides vom 19. April 1999 und begehrte die Berücksichtigung der beitragspflichtigen Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Mit Schreiben vom 24. Juli 2000 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. April 1999 ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2000 wies die Beklagte den Widerspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück.
Mit Bescheid vom 6. September 2000 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 24. Mai 2000 (1 BvL 1/98) eine Änderung der Bemessungsgrundlage wegen einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes bei bestandskräftigen Bescheiden nur für die Zeit nach dem 21. Juni 2000 in Betracht komme. Es sei nicht erkennbar, dass die getroffenen Entscheidungen fehlerhaft seien. Eine mit Schriftsatz vom 21. September 2000 erhobene Klage wurde als Widerspruch bewertet. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, dass nach § 330 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3) ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, der auf einer Rechtsnorm beruhe, die nach dem Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sei, bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB 10) nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des BVerfG zurückzunehmen sei. Auch nach dem Beschluss des BVerfG vom 24. Mai 2000 seien bestandskräftige Entscheidungen nur mit Wirkung für die Zeit nach der Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG zu ändern. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage sei daher nur für einen nach dem 21. Juni 2000 bestehenden Leistungsanspruch in Betracht gekommen.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Oktober 2001 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, er habe sich durch den Hinweis im Bescheid vom 19. April 1999 täuschen lassen, dass für die Höhe der Leistung im Regelfall das versicherte Entgelt aus den letzten 12 Monaten vor Eintritt der Arbeitslosigkeit maßgebend sei. Ein Hinweis auf die Nichtberücksichtigung der Einmalzahlungen habe gefehlt. Diese unzutreffende Information habe dazu geführt, dass er keinen Widerspruch eingelegt habe.
Mit Urteil vom 23. April 2002 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen. In der Begründung führt e...