Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. hetero- und homosexueller Partner. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Einbeziehung der in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebenden Person in dessen Bedarfsgemeinschaft und der damit verbundenen Berücksichtigung des Einkommens dieser Person nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB 2 steht höherrangiges Recht, namentlich der Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG nicht entgegen.
2. Der in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Hilfebedürftige vermag sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, dass aus Gründen der Gleichbehandlung auch weitere, vom Gesetz nicht berücksichtigte Lebens-, Haushalts- oder Wirtschaftsgemeinschaften, wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern außerhalb des LPartG, ebenfalls als Bedarfsgemeinschaften zu behandeln seien.
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der der Antragstellerin zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), namentlich die Frage der Anrechenbarkeit des Einkommens des Lebenspartners, im Streit.
Am 20. Februar 2005 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In dem Antragsformular gab sie zur Frage nach den persönlichen Verhältnissen an, alleinstehend zu sein. Als “nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartner" gab sie Herrn M. S. an, für den sie eine Einkommenserklärung abgab und Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die Monate November 2004 bis Januar 2005 vorlegte.
Mit Bescheid vom 11. März 2005 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Antragstellerin und Herrn M. S. ab dem 23. Februar 2005 für die Dauer von 9 Monaten, wobei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Februar 2005 in Höhe von 56,13 Euro und für den Monat März 2005 in Höhe von 436,06 Euro gewährt wurden. Nach dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen wurden für März 2005 für die Antragstellerin und Herrn M. S. Regelleistungen gemäß § 20 SGB II in Höhe von jeweils 311,00 Euro sowie an Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II für Miete 700,00 Euro, insgesamt 1.322,00 Euro als Bedarf an Leistungen zum Lebensunterhalt zugrunde gelegt. An Einkommen wurden Einkünfte des M. S. gemäß § 11 Abs. 1 SGB II in Höhe von 1.413,31 Euro berücksichtigt, von denen abzusetzende Beträge gemäß § 11 Abs. 2 SGB II für Herrn M. S. bezüglich Arbeitsmitteln in Höhe von 15,33 Euro, ein Freibetrag für Erwerbstätigkeit in Höhe von 172,11 Euro, eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro, Fahrtkosten in Höhe von 84,96 Euro und sonstige Versicherungen in Höhe von 20,21 Euro berechnet wurden, so dass ein Abzugsbetrag in Höhe von 1.090,70 Euro zugrunde gelegt wurde. Die Summe der laufenden Leistungen betrug danach 231,30 Euro.
Am 22. März 2005 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt und zur Begründung die Auffassung vertreten, die Anrechnung von Einkünften des Herrn M. S. sei unzulässig. Zur Begründung hat sich die Antragstellerin auf die Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2005 (Az.: S 35 SO 28/05 ER) gestützt. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 29. März 2005 mitgeteilt, vor einer Entscheidung über den Widerspruch den Abschluss der von der Antragstellerin genannten gerichtlichen Verfahren abwarten zu wollen.
Am 1. April 2005 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Anrechnung der Einkünfte des Herrn M. S. sei verfassungswidrig, da sie einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle, indem sie heterosexuelle Paare gegenüber homosexuellen benachteilige. Der Antragstellerin sei nicht zuzumuten, bis zum Abschluss des Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren abzuwarten, da sie über keinerlei finanzielle Reserven verfüge und keine weiteren Zeiträume mehr überbrücken könne. Das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn M. S. werde nicht bestritten.
Mit Beschluss vom 1. Juni 2005 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht sei. Die Voraussetzungen zur Einbeziehung des Herrn M. S. in die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II seien erfüllt, da unstreitig eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestünden nicht. Es liege kein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG darin, dass durch § 7 Abs. 3 Nr. 3 b, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Einkommens- und Vermögensberücksichtigung des Partners nur...