Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistungen. Ausreise. Leistungsausschluss. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein abgelehnter und abgeschobener Asylbewerber kann rechtswidrig abgelehnte Ansprüche, bezogen auf die Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet, auch nach seiner Ausreise weiterverfolgen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht aufgrund der Ausreise des Asylbewerbers nachträglich entfallen.
2. Dass § 1 Abs. 3 AsylbLG Ansprüche bezogen auf Leistungszeiträume, die nach der Ausreise liegen, ausschließt, bedarf auf Grund des klaren Wortlauts der Vorschrift keiner weiteren grundsätzlichen Klärung. Dass Ansprüche auf Leistungen bezogen auf Leistungszeiträume vor der Ausreise mit der Ausreise erlöschen, hat der Gesetzgeber hingegen erkennbar nicht gewollt.
Normenkette
AsylbLG § 1 Abs. 3; SGG § 145
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 16. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Das Sozialgericht hat den Klägern, die mittlerweile am 16.08.2006 aus dem Bundesgebiet in ihr Heimatland abgeschoben worden sind, mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die in § 3 Abs. 1 S. 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) vorgesehenen Beträge zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (Taschengeld) für die Monate Februar 2003 und März 2003 zugesprochen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde mit dem Antrag, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 16.04.2007 zuzulassen, ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 145 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Berufung zu Recht nicht zugelassen. Es ist auch von einer ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts auszugehen. Insoweit reicht aus, dass der Gerichtsbescheid zur Frage der Zulassung der Berufung schweigt, jedoch in der Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde belehrt wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 144, Rdnr. 41).
Zunächst ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Beschränkung der Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG erfüllt sind. Zum einen übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes von 163,61 EUR nicht die Grenze von 500,00 EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Zum anderen sind auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).
Es liegen keine Gründe für die Zulassung der Berufung vor. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine der Voraussetzungen der vorstehenden Vorschrift ist erfüllt.
Der Beklagte hat die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst damit begründet, die Kläger seien zum Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides bereits ausgereist gewesen. Nach § 1 AsylbLG bestehe eine Leistungsberechtigung nur für Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhielten (Abs. 1 S. 1); die Leistungsberechtigung ende mit der Ausreise (Abs. 3). Daraus werde der Normzweck der Vorschrift deutlich, wonach ein Leben unter menschenwürdigen Umständen während der Dauer des Asylverfahrens sichergestellt werden solle. Mit der Ausreise entfalle der Normzweck jedoch. Hieraus kann keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG abgeleitet werden. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., § 144, Rdnr. 28). Hiervon kann zu Gunsten des Beklagten nicht ausgegangen werden, denn § 1 Abs. 3 AsylbLG ist bereits im Wortlaut eindeutig und bedarf keiner weiteren grundsätzlichen Klärung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift nach Auffassung des Senats geregelt, dass Ansprüche bezogen auf Leistungszeiträume, die nach der Ausreise liegen, nicht mehr in Betracht kommen. Der Beklagte meint demgegenüber offenbar, dass Ansprüche auf Leistungen bezogen auf Leistungszeiträume vor der Ausreise mit der Ausreise erlöschen. Dies hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar nicht gewollt und wird auch in der Kommentarliteratur so nicht vertreten (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 1 AsylbLG Rdnr. 24; Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 1 AsylbLG Rdnr. 12; Birk in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 1 AsylbLG, Rdn...