Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der Verfahrensgebühr. Bemessungskriterien. besonderes Haftungsrisiko. Zusatzqualifikation. Wirkzeitraum der Prozesskostenhilfe. schriftsätzliche Begründung des PKH-Antrags nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zusatzqualifikation "Fachanwalt für Sozialrecht" begründet kein besonderes Haftungsrisiko nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG und stellt kein taugliches Bemessungskriterium für die Gebührenbestimmung dar.
2. Bei der Bestimmung der dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren ist der Wirkzeitraum der Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Bemessung der Rahmengebühr ist nicht das gesamte Verfahren, sondern lediglich der konkrete Beiordnungszeitraum.
3. Nicht berücksichtigungsfähig für die Frage der Höhe der Verfahrensgebühr ist die Tätigkeit, die der Rechtsanwalt schriftsätzlich zur Begründung des PKH-Antrags noch nach Erledigung der Hauptsache entfaltet hat.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 25. Juli 2011 geändert.
Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Beschwerdegegners für seine Tätigkeit in dem Verfahren S 10 AL 94/09 wird unter Abänderung der Vergütungsfestsetzung des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Fulda vom 11. Mai 2010 auf insgesamt 220,94 € festgesetzt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren der E. EW. gegen die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit in FU., vor dem Sozialgericht Fulda (S 10 AL 94/09) stritten die Beteiligten zunächst über den Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Schreibens der Beklagten vom 11. September 2009, durch das die Aufhebung einer der Klägerin unter dem 21. August 2009 erteilten Zusicherung abgelehnt worden war. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 teilte die Klägerin mit, dass sich die Hauptsache wohl durch die rückwirkend erfolgte Gleichstellung (Bescheid vom 4. September 2009) erledigt habe. Nach danach noch erfolgter Klageerweiterung beantragte die Klägerin zuletzt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 11. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 sowie deren Verurteilung zur außergerichtlichen Kostentragung. Das Verfahren endete nach 35 minütiger Verhandlung in einem Erörterungstermin am 14. April 2010 durch gerichtlichen Vergleich, indem sich die Beklagte u. a. zur Erstattung von 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits verpflichtete.
Nachdem die Klägerin mit bei dem Sozialgericht am 25. Januar 2010 eingegangenem Schreiben die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu dem von ihr am 6. November 2009 noch gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorgelegt hatte, bewilligte ihr das Sozialgericht Fulda diese sodann mit Beschluss noch vom gleichen Tage ab dem 25. Januar 2010 und ordnete ihr den Beschwerdegegner als Rechtsanwalt bei.
Mit Kostenrechnung vom 21. April 2010 machte der Beschwerdegegner eine Vergütung in Höhe von insgesamt 749,70 € geltend. Als Verfahrensgebühr setzte er dabei 170,00 €, als Terminsgebühr 200,00 €, als Einigungsgebühr 190,00 €, an Fahrtkosten 30,00 €, an Abwesenheitsgeld 20,00 € sowie eine Dokumentenpauschale in Höhe von 20,00 € an.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte unter dem 11. Mai 2010 die Vergütung in Höhe von insgesamt 591,43 €, davon 197,14 € aus der Staatskasse zu zahlen, fest. Dabei gewährte er eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 €, eine Terminsgebühr in Höhe von 140,00 € sowie Fahrtkosten in Höhe von 27,00 €. Einigungsgebühr, Abwesenheitsgeld und Dokumentenpauschale erkannte er in beantragter Höhe an.
Zur Begründung seiner Entscheidung wies er darauf hin, dass für die Bewertung der Verfahrensgebühr lediglich der Schriftsatz vom 26. Januar 2010 relevant sei, der keine nennenswerten Schwierigkeiten aufzeige.
Bei der Terminsgebühr sei der bekannten Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein zu folgen, nach der die Mittelgebühr nur dann anzusetzen sei, wenn die Verhandlung mindestens 50 Minuten angedauert habe und Besonderheiten des Einzelfalles nicht hervorgetreten seien. Nach Recherche betrage die schnellste Routenstrecke vom Kanzleisitz zum Gerichtsort 44,05 km, was zu einer Entschädigung für Hin- und Rückfahrt von 90 km führe.
Auf die Erinnerung des Beschwerdegegners setzte das Sozialgericht Fulda die Vergütung mit Beschluss vom 25. Juli 2011 auf insgesamt 746,13 € und den aus der Staatskasse zu zahlenden Betrag auf 248,71 € fest. In Bezug auf die Verfahrensgebühr führte das Gericht aus, dass das RVG keine rechtliche Grundlage für eine Quotelung vorsehe und erkannte 170,00 € an. Für die Beurteilung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit komme es auf den im gesamten Verfahren aufgewendeten Arbeit- und Zeitaufwand an, wenn die jeweilige Gebühr zumindest auch durch eine Tätigkeit innerhalb des Bewilligungszeitraums (nochmals) ausgelöst worden sei. Dies folge zunächst schon aus der Systematik des Gebührenrechts, wel...