Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung. Ermessen. Untätigkeitsklage. Zureichender Grund
Leitsatz (redaktionell)
Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage nach Ablauf der Sperrfrist hat die beklagte Behörde i.d.R. die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für ihre Untätigkeit hatte und sie diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder er diesem bekannt war.
Normenkette
SGG §§ 88, 193 Abs. 1
Gründe
Die am 13. Januar 2006 beim Sozialgericht Gießen eingegangene Beschwerde mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und die dem Kläger in dem Verfahren S 18 SO 81/05 beim Sozialgericht Gießen entstandenen außergerichtlichen Kosten für nicht erstattungsfähig zu erklären,
hat keinen Erfolg.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Klägers in dem Klageverfahren S 18 SO 81/05 zu übernehmen.
Da der Kläger das Klageverfahren S 18 SO 81/05 beim Sozialgericht Gießen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. August 2005 für erledigt erklärt hat und diese Erklärung als Klagerücknahme zu werten ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 102 Rdnr. 3 m.w.N.), war auf Antrag nur über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Bei Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Klage-, Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme, angenommenes Anerkenntnis und übereinstimmende Erledigungserklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach Ermessen (Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 193 Rdnr. 13 m.w.N.). Maßgebend für die Entscheidung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Verfahrens und die Gründe für die Antragstellung und die Erledigung.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien entspricht es billigem Ermessen, dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen.
Nach § 88 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SGG ist, wenn über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Erhebung des Widerspruchs zulässig. Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage nach Ablauf der Sperrfrist hat der Beklagte in der Regel die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten, wenn dieser mit einer Bescheidung vor Fristablauf rechnen durfte. Dagegen kommt eine Kostenerstattung dann nicht in Betracht, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für die Untätigkeit hatte und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder er diesem bekannt war (Meyer-Ladewig/Leitherer s.o. § 193 Rdnr. 13c m.w.N.) Es kann offen bleiben, ob im vorliegenden Fall ein zureichender Grund dafür bestanden hat, dass der Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2004 bis zum 27. Mai 2005 (Tag der Klageerhebung) noch nicht entschieden hatte. Allerdings hat der Senat als zureichenden Grund für eine Nichtentscheidung innerhalb der Frist u.a. die vorübergehende besondere Belastung, etwa wenn aufgrund einer Gesetzesänderung viele Anträge zu bearbeiten sind, angesehen (Beschluss vom 27. Dezember 2005 - 9 B 176/05 SO m.w.N.). Ob eine derartige Arbeitsbelastung - wie von dem Beklagten vorgetragen - hier vorgelegen hat, bedarf aber keiner Entscheidung. Auch die weitere Frage, ob im Falle einer besonderen Arbeitsbelastung die Behörde zur Kostentragung verpflichtet ist, wenn sie den Kläger nicht auf eine verzögerte Bearbeitung hingewiesen hat, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Hier besteht nämlich die Besonderheit, dass der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2005 unter Fristsetzung bis zum 20. Mai 2005 die Beklagte gebeten hatte, über den Widerspruch zu entscheiden oder die Hinderungsgründe mitzuteilen. Dabei hat der Bevollmächtigte auf die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage ausdrücklich hingewiesen. Der Beklagte hat diese Anfrage aber nicht beantwortet. Der Beklagte hat daher selbst die Ursache für die Erhebung der Untätigkeitsklage gesetzt (zur Berücksichtigung der Veranlassung bei der Entscheidung über die Kostenerstattung vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer s.o. § 193 Rdnr. 13 m.w.N.). Der Beklagte kann auch nicht einwenden, dass er die Entscheidung über den Widerspruch von der Beantwortung der Anfrage vom 27. Oktober 2004 habe abhängig machen wollen, da er an die Beantwortung dieser Anfrage zu keiner Zeit erinnert hat. Im Übrigen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2004 dem Beklagten mitgeteilt, alle notwendigen Unterlagen seien vorgelegt und erörtert worden. Außerdem hatte der Beklagte auch insoweit die Möglichkeit, auf die Anfrage des Bevollmächtigten vom 13. Mai 2005 zu reagieren und auf die Notwendigkeit der Vorlage der mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 angeforderten Nachweise hinzuweisen. Der Erhebung der Untätigkeitsklage am 27. Mai 2005 stand schließli...