Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Besetzung. Prüfung nur durch die nicht betroffenen Richter. Beschluß vor Eintritt in die Beratung. gesetzlicher Richter. Berufungsverfahren der ehrenamtlichen Richter in Hessen, Vorschlagslisten. Einzelvorschläge. Auswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung des Senats erfolgt nur durch die nicht betroffenen Richter durch Beschluß vor Eintritt in die Beratung und vor der Entscheidung zur Sache.
2. Wird gegen die zwingende Vorschrift des § 13 Abs. 1 SGG verstoßen und der ehrenamtliche Richter nicht aus einer Vorschlagsliste entnommen, sondern auf Grund eines Einzelvorschlages berufen, dann sind die Art. 92 und 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Mit einem auf diese Weise berufenen ehrenamtlichen Richter ist der Senat nicht ordnungsgemäß besetzt.
3. Eine mündliche Verhandlung kann erst wieder stattfinden, wenn dem Senat ehrenamtliche Richter zugewiesen werden, die einem Berufungsverfahren entstammen, das nicht mit den festgestellten Mängeln behaftet ist.
Normenkette
GG Art. 92, 101 Abs. 1 S. 2; SGG § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Wiesbaden (Entscheidung vom 09.02.1984; Aktenzeichen S-5/Ar-166/82) |
Tenor
Der 6. Senat ist mit den nach der Geschäftsverteilung zugewiesenen ehrenamtlichen Richtern nicht ordnungsgemäß besetzt. Eine mündliche Verhandlung kann zur Zeit nicht stattfinden.
Tatbestand
I.
In dem Rechtsstreit geht es um die Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe über den 31. März 1982 hinaus. Der Beschluß befaßt sich vorab mit der Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Senates durch die ehrenamtlichen Richter unter Berücksichtigung der Besonderheiten des angewandten Berufungsverfahrens.
Mit Verfügung vom 9. Juli 1985 ist Terrain zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden auf den 24. Juli 1985. Hierzu sind dem 6. Senat zugewiesene ehrenamtliche Richter geladen worden. Alle dem 6. Senat zugewiesenen ehrenamtlichen Richter einschließlich derjenigen der Notliste wurden vom Hessischen Sozialminister vor dem 1. April 1985 durch Ernennungsurkunden in ihr Richteramt berufen.
Durch einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. April 1985 „Zweifel an der Berufung von Sozialrichtern” von Heidi Müller-Gerbes entstanden auch im erkennenden Senat Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Gerichtes. Dem Senat wurde ferner bekannt ein Antwortschreiben des Hessischen Ministers für Arbeit, Umwelt und Soziales vom 22. April 1985 (StS-IA6-54p-6861) auf eine Antrage des Präsidenten des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. April 1985. Darin führt der Minister zu dem Berufungsverfahren der ehrenamtlichen Richter folgendes aus:
„Seit dem 1.4.1985 werden alle zur Ernennung anstehenden ehrenamtlichen Richter in der hessischen Sozialgerichtsbarkeit auf der Grundlage von Vorschlagslisten der Verbände und Stellen laufend berufen, die die eineinhalbfache Zahl der insgesamt in diesem Jahr kraft Zeitablaufs bei den jeweiligen Sozialgerichten ausscheidenden ehrenamtlichen Richtern umfassen, für die der Verband bzw. die Stelle vorschlagsberechtigt ist. Dieses nunmehr geltende Verfahren geht auf unsere gemeinsame Besprechung in meinem Hause mit den vorschlagsberechtigten Verbänden am 4.12.1984 zurück. Damals erklärten sich – nach längeren Diskussionen über die dabei zu überwindenden praktischen Schwierigkeiten – die Verbände erstmals bereit, zukünftig jährlich die eineinhalbfache Zahl der ausscheidenden ehrenamtlichen Richter vorzuschlagen.
Außerdem werde ich Sie zukünftig im Hinblick auf § 13 Abs. 2 Satz 1 SGG darüber unterrichten, wann das jeweilige Amt von kraft Zeitablaufs ausscheidenen ehrenamtlichen Richtern durch Berufung von Nachfolgern enden wird. Der bisherige Nachfolgevermerk auf den beglaubigten Abschriften der Ernennungsurkunden neuberufener ehrenamtlicher Richter ist damit entbehrlich. Die Zuteilung der im Laufe eines Geschäftsjahres neuberufenen ehrenamtlichen Richter auf die einzelnen Spruchkörper ist allein Sache der Präsidien. Ich bitte Sie insoweit um unverzügliche Weitergabe meiner laufenden Mitteilungen an die betroffenen Sozialgerichte.
Was die Berufungspraxis vor dem 1.4.1985 anlangt, konnte der in der Sollvorschrift des § 14 Abs. 1 SGG festgelegten Richtzahl von 1,5 nur die Kassenärztliche Vereinigung entsprechen. Die übrigen vorschlagsberechtigten Verbände und Stellen waren seit dem Beginn der 60-iger Jahre nur noch zu ergänzenden Vorschlägen aufgrund des jeweiligen Bedarfs bereit. Die in der Anfangszeit des Sozialgerichtsgesetzes eingereichten Vorschlagslisten sind somit aufgrund der genannten Schwierigkeiten, jeweils ausreichende zusätzliche Vorschläge unterbreiten zu können, dann nur bei Bedarf ergänzt worden. Dies entsprach der – soweit ersichtlich auch gegenwärtig noch geübten – einhelligen Praxis der anderen Bundesländer bzw. des Bundes bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter in der Sozialgerichtsbarkeit.
Nach meiner Rechtsauffassung ist diese Berufungspraxis nicht mit Mängeln behaftet, die zur Nichtigkeit bzw. Unbe...