Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Krankengeld. Arbeitsunfähigkeit. ärztliche Feststellung in Reha-Entlassungsmitteilung iVm der "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung"
Leitsatz (amtlich)
Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V kann anlässlich der Entlassung aus der Rehabilitation durch eine Entlassungsmitteilung in Verbindung mit der Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung erfolgen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 11. Juni 2019 wird zurückgewiesen
Die Beklagte hat dem Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 5. bis 13. Mai 2018 in Höhe von brutto 802,71 € hat.
Der 1970 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger war im streitigen Zeitraum als Arbeitnehmer bei der Beklagten versichert. Der gelernte Kfz-Schlosser war zuletzt als Geräteführer tätig. Am 2. März 2018 erkrankte er arbeitsunfähig. Am 6. März 2018 erfolgte eine Nierentumorresektion links. Vom 3. bis 24. April 2018 erfolgte eine stationäre Anschlussheilbehandlung im Urologischen Kompetenzzentrum für die Rehabilitation der Kliniken Hartenstein. Die bei der Beklagten am 24. April 2018 eingegangene Entlassungsmitteilung der Klinik enthält die Angabe, dass der Kläger arbeitsunfähig sei. In der „Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung“ wurde ausgeführt, dass eine stufenweise Eingliederung nicht erforderlich sei, da die Arbeitsfähigkeit hierdurch voraussichtlich nicht wiederhergestellt werden könne.
Die den Kläger behandelnde Arztpraxis C. stellte am 24. April 2018 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 4. Mai 2018 aus, welche am 30. April 2018 bei der Beklagten einging. Danach wurden weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt. Als Diagnose wurde stets C64G (Bösartige Neubildung der Niere) angegeben.
Mit Bescheid vom 6. August 2018 bewilligte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 25. April 2018 bis 4. Mai 2018 sowie für den 14. Mai 2018. Für die Zeit vom 5. Mai 2018 bis 13. Mai 2018 lehnte sie hingegen die Zahlung von Krankengeld ab, da die erneute Attestierung der Arbeitsunfähigkeit erst am 16. Mai 2018 und damit nicht innerhalb einer Woche nach ärztlicher Feststellung angezeigt worden sei. Daher habe der Anspruch in der streitigen Zeit geruht.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018 zurück.
Am 29. Oktober 2018 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass seine Ehefrau die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 4. Mai 2018 am 7. Mai 2018 zur Post gegeben habe. Die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14. Mai 2018 habe sie erst am 16. Mai 2018 zur Post gebracht. Es könne daher nicht sein, dass beide Bescheinigungen erst am 16. Mai 2018 gemeinsam bei der Beklagten eingegangen seien. Zudem habe seine Ehefrau der Sachbearbeiterin der Beklagten Frau D. Ende April 2018 telefonisch mitgeteilt, dass der Kläger langfristig erkrankt sei.
Die Beklagte hat erklärt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. April 2018 beim zentralen Posteingang in Essen eingegangen und am 30. April 2018 eingescannt worden sei. Die am 4. und 14. Mai 2018 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien in der Dienststelle Siegen eingegangen und dort von der Poststelle abgestempelt worden. Der Reha-Entlassungsbericht liege ihr nicht vor.
Das Sozialgericht hat den Reha-Entlassungsbericht vom 24. April 2018 beigezogen. Danach ist der Kläger als arbeitsunfähig entlassen worden. Als Diagnose sind aufgeführt: Nierenzellkarzinom im Tumorstadium pT1a RO, Nierentumorresektion links am 6. März 2018 sowie Erschöpfungssyndrom. Unter Berücksichtigung des individuellen Verlaufs und einer weiteren Rekonvaleszenzzeit werde der Kläger voraussichtlich in einigen Wochen in der Lage sein, seine bisherige berufliche Tätigkeit wiederaufzunehmen. Eine volle Arbeitsunfähigkeit könne voraussichtlich durch stufenweise Wiedereingliederung nicht früher hergestellt werden. Eine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden könne aufgrund der psycho-physischen Belastung innerhalb von vier Wochen nicht erreicht werden. Für die ersten drei bis vier postoperativen Monate sollte das Heben und Tragen von Gewichten über 10 kg vermieden werden.
Mit Urteil vom 11. Juni 2019 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 5. bis 13. Mai 2018 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte u.a. Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ents...