Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zur Bewilligung von Krankengeld
Orientierungssatz
1. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld nach §§ 44, 46 SGB 5 muss nicht zwingend auf dem nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vorgesehenen Vordruck erfolgen (BSG Urteil vom 10. 5. 2012, B 1 KR 19/11 R). Ausreichend ist, dass der Arzt formlos die Erkrankung feststellt und dass der Versicherte aufgrund dessen weder seine letzte noch eine ähnliche oder gleich geartete Arbeit verrichten kann.
2. Ist auf einem Reha-Entlassungsbericht "arbeitsunfähig" ohne Angabe eines Enddatums vermerkt und hat der Arzt festgehalten, dass Arbeitsunfähigkeit durch eine stufenweise Wiedereingliederung voraussichtlich nicht wiederhergestellt werden kann, so ist dies dahingehend auszulegen, dass der Versicherte zumindest weitere vier Wochen arbeitsunfähig ist.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 08.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 05. bis 13.05.2018 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der beklagten Krankenkasse Krankengeld für die Zeit vom 05. bis 13.05.2018 in Höhe von kalendertäglich 89,19 € brutto bzw. 78,42 € netto (802,71 € brutto bzw. 705,60 € netto).
Der 1970 geborene Kläger war im streitigen Zeitraum als Arbeitnehmer bei der Beklagten krankenversichert. Am 05.03.2018 erkrankte er arbeitsunfähig und erhielt bis zum 14.04.2018 Entgeltfortzahlung. Auf seinen Rehabilitationsantrag vom 16.03.2018 schränkte die Beklagte mit Schreiben vom 11.04.2018 das Dispositionsrecht des Klägers ein. Vom 03. bis 24.04.2018 erfolgte eine stationäre Rehabilitation in Bad Wildungen mit Bezug von Übergangsgeld. Entlassen wurde der Kläger nach der am 24.04.2018 bei der Beklagten eingegangen Entlassungsmitteilung als arbeitsunfähig. Angekreuzt war auf dem Beiblatt „Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung“
2 Stufenweise Wiedereingliederung ist erforderlich
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X nein, |
weil |
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Kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit (Arbeitsfähigkeit ist auch ohne stufenweise Wiedereingliederung innerhalb von 4 Wochen zu erwarten) |
X |
Arbeitsfähigkeit kann voraussichtlich durch stufenweise Wiedereingliederung nicht wiederhergestellt werden weil, (handschriftlich): noch Narbeninstabilität besteht. |
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Nachsorge ausreichend, weil … |
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Sonstiges: … |
Die Praxis C. stellte am 24.04.2018 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 04.05.2018 aus, die am 30.04.2018 bei der Beklagten einging. Die am 04.05.2018 (Freitag) von der Praxis C. ausgestellte Folgebescheinigung bis zum 18.05.2018 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des MVZ D. vom 14.04.2018 bis 11.06.2018 gingen gemäß Eingangsstempel beide am 16.05.2018 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 06.08.2018 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 04.05.2018 bis 13.05.2018 ab (unter Bewilligung im Übrigen für die Zeit vom 25.04.2018 bis 04.05.2018 und für den 14.05.2016). Der Krankengeldanspruch ruhe vom 04.05.2018 bis 13.05.2018, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach ärztlicher Feststellung am 04.05.2018, sondern erst am 16.05.2018 gemeldet worden sei.
Den am 18.06.2018 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er weiter erkrankt sei und seine Ehefrau alle Krankmeldungen übermittelt habe. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2018 zurück. Ergänzend führte sie zur Begründung aus, dass das Risiko der nicht rechtzeitigen Meldung bzw. Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei dem Versicherten liege. Das Ruhen trete demnach auch ein, wenn die übrigen Leistungsvoraussetzungen zweifelsfrei gegeben seien und den Versicherten kein Verschulden an dem nicht rechtzeitigen Zugang treffe.
Am 29.10.2018 hat der Kläger zu dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er macht geltend, seine Ehefrau habe die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 04.05.2018 am Montag, dem 07.05.2018 zur Post gegeben. Sie müsse daher bei einer normalen Postlaufzeit spätestens am 10.05.2018 bei der Beklagten eingegangen sein und nicht erst am 16.05.2018. Die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.05.2018 habe seine Ehefrau erst am 15.04.2018 zur Post gebracht. Es könne daher nicht sein, dass beide Bescheinigungen erst am 16.05.2018 gemeinsam bei der Beklagten eingegangen seien. Außerdem habe die Ehefrau des Klägers der Sachbearbeiterin E. Ende April 2018 telefonisch mitgeteilt, dass ihr Ehemann langfristig erkrankt sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2018 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 05. bis 13.05.2018 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die angeg...