Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Datenschutzrecht. Schadensersatzansprüche aufgrund Amtspflichtverletzung. abschließende Rechtswegzuweisung in Art 34 S 3 GG. Geltung auch für Ansprüche aus Art 82 Abs 1 EUV 2016/679
Leitsatz (amtlich)
1. Aus Art 34 S 3 GG folgt nicht nur die Eröffnung des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten für Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung, sondern (weiterhin) eine abschließende Rechtswegzuweisung.
2. Diese umfasst auch Schadensersatzansprüche aus Art 82 Abs 1 DSGVO (juris: EUV 2016/679), sofern die geltend gemachten Verstöße in einem öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsverhältnis wurzeln.
Nachgehend
Tenor
I. Die Rechtswegbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Sache um einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG).
Der Kläger war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. In diesem Rahmen machte er im Jahr 2019 ein Auskunftsersuchen gegenüber der Beklagten geltend und strengte hierzu einen nach Erteilung der verlangten Auskunft unstreitig beendeten Rechtsstreit vor dem mit Blick auf seinen damaligen Wohnsitz örtlich zuständigen Sozialgericht Neuruppin - S 33 KR 175/19 - an. Anschließend forderte er mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30. Juli 2020 wegen der nach seiner Auffassung verspäteten Auskunft und eines dadurch begründeten Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO immateriellen Schadensersatz in Höhe von 2.000,- Euro von der Beklagten.
Nachdem diese die Erfüllung des Anspruchs durch Schreiben vom 15. September 2020 abgelehnt und einen gegen dieses Schreiben gerichteten Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2021 als unzulässig verworfen hatte, hat der Kläger mit Eingang am 23. Juni 2021 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Hinsichtlich des Rechtswegs hat er die Auffassung vertreten, dass sich die Zuständigkeit der Sozialgerichte für den Rechtsstreit aus § 81b Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ergebe. Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) stehe dem nicht entgegen. Die Annahme einer Rechtswegspaltung - hinsichtlich des Primärrechtsschutzes wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorgaben einerseits und des Sekundäranspruchs auf Schadensersatz andererseits - stelle einen Anachronismus dar, der in der Verfassungsrechtsliteratur seit langem als falsch angesehen werde. Auch spreche der Wortlaut des Art. 34 Satz 3 GG nicht gegen die Eröffnung des Sozialrechtswegs: Dort stehe nicht, dass Amtshaftungsansprüche vor den ordentlichen Gerichten erhoben werden müssten, sondern nur, dass der ordentliche Rechtsweg für diese nicht ausgeschlossen werden dürfe. Zudem bleibe dem Bürger, gehe man von einer ausschließlichen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus, ein zusätzlicher, wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes unstreitig vorteilhafterer Rechtsweg verschlossen. Das sei besonders misslich, wenn man bedenke, dass in der Literatur vertreten werde, dass Art. 34 GG Grundrechtscharakter habe. Ihm, dem Kläger, sei die Wahl zu lassen, ob er vor den Sozialgerichten oder vor den ordentlichen Gerichten klagen wolle.
Er hat auf der Grundlage von § 17a Abs. 3 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) eine Vorabentscheidung des Sozialgerichts über den Rechtsweg in diesem Sinne, hilfsweise die Verweisung an das Landgericht Neuruppin als Gericht des Tatorts, beantragt. Geltend gemacht werde eine unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung als Schutzgesetz. Daher stehe für ihn auch der Gerichtsstand des § 32 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Wahl; Anspruchsgrundlage sei dabei nicht § 839 BGB, sondern Art. 82 DSGVO.
Die Beklagte hat dagegen den beschrittenen Rechtsweg zu den Sozialgerichten gerügt, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf - am Sitz ihrer Verwaltung - geltend gemacht und ist dem Anspruch in der Sache entgegengetreten.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 9. November 2021 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main nach vorheriger Anhörung der Beteiligten entschieden, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei unzulässig, und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.
Zur Begründung hat es namentlich ausgeführt, für das auf einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen nicht fristgerecht erteilter Auskunft gemäß Art...