Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Übergangsrecht nach § 60 Abs 1 S 1 RVG. Anwendung des bisherigen Rechts. maßgebender Zeitpunkt: unbedingte Auftragserteilung oder gerichtliche Beiordnung vor Gesetzesänderung. Abstellen auf Erlasszeitpunkt des Beiordnungsbeschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Formulierung des § 60 Abs 1 S 1 RVG kommt das bisherige Recht dann zur Anwendung, wenn entweder die unbedingte Auftragserteilung oder die Beiordnung des Rechtsanwalts vor der Gesetzesänderung erfolgt ist. Abzustellen ist auf den früheren der beiden Zeitpunkte.

2. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beiordnung iS von § 60 Abs 1 S 1 RVG ist der formale Akt der Beiordnung durch Beschluss, nicht der Beginn des Wirkzeitraums der Beiordnung.

 

Tenor

Die Erinnerung des Antragsgegners gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für die Tätigkeit der Antragstellerin als beigeordnete Rechtsanwältin im Verfahren L 4 SO 87/13 vor dem Hessischen Landessozialgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der aus der Landeskasse zu Gunsten der Antragstellerin zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung, insbesondere um die Frage, ob das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung gültig ab 1. August 2013 oder in der Fassung gültig bis 31. Juli 2013 maßgeblich ist.

Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens war die Gewährung einer Wohnungserstausstattung nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII). Gegen das teilweise klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 13. März 2013 (S 7 SO 18/12) legte der Kläger des Ausgangsverfahrens am 3. Mai 2013 zunächst selbst Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (L 4 SO 87/13) ein. Mit Schreiben vom 5. Juli 2013, eingegangen am 9. Juli 2013, beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung der Antragstellerin. Diese habe ihm mitgeteilt, dass sie ohne die Zusage der Kostenübernahme keine Vertretung übernehmen könne. Mit Beschluss vom 8. August 2013 bewilligte der zuständige Senat Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung rückwirkend ab 9. Juli 2013 unter Beiordnung der Antragstellerin.

Nach Beendigung des Berufungsverfahrens durch gerichtlichen Vergleich am 16. Dezember 2015 beantragte die Antragstellerin am 17. Dezember 2015, die Kosten für das Verfahren in Höhe von insgesamt 1.373,62 EUR nach dem RVG i.d.F. gültig ab 1. August 2013 festzusetzen. Die Übernahme des Verfahrens sei mit Eingang des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 16. August 2013 erfolgt.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts setzte am 18. Dezember 2015 folgende Kosten fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV

370,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3205 VV

280,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV

370,00 EUR

Reisekosten Nr. 7003 VV

83,10 EUR

Pauschale Ablichtungen (Nr. 7000 VV)

29,20 EUR

Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen (Nr. 7002 VV)

20,00 EUR

Zwischensumme

1.152,30 EUR

19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV

218,94 EUR

Summe 

1.371,24 EUR

Damit entsprach er dem Antrag der Antragstellerin nahezu vollumfänglich. Lediglich nicht belegte Parkgebühren in Höhe von 2,00 EUR nebst des hierauf entfallenden Umsatzsteueranteils setzte er ab.

Am 28. Dezember 2016 legte der Antragsgegner Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass vorliegend aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 8. August 2013 mit einem Wirkzeitpunkt ab 9. Juli 2013 gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG noch das RVG in seiner Fassung gültig bis zum 31. Juli 2013 Anwendung finden müsse. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG komme das alte Gebührenrecht zur Anwendung, wenn der unbedingte Auftrag vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt beigeordnet worden sei. Es sei auf den jeweils früheren der beiden Zeitpunkte abzustellen. Vorliegend sei zwar der Zeitpunkt der Auftragserteilung unklar und das Gericht habe dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst mit Beschluss vom 8. August 2013 entsprochen. Der Beschluss enthalte aber ausdrücklich das Wirkungsdatum 9. Juli 2013, so dass der Wirkzeitpunkt der Prozesskostenhilfe und der Beiordnung vor dem 1. August 2013 liege. Nach §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG sei der Vergütungsanspruch nach seinem Grund und seiner Höhe vom Umfang der Beiordnung abhängig. Da diese rückwirkend zum 9. Juli 2013 erfolgt sei, sei das RVG i.d.F. gültig bis 31. Juli 2013 anzuwenden.

Unter Beibehaltung des durchschnittlichen Gebührenansatzes ergebe sich folgende Kostenaufstellung:

Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV-RVG

310,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3205 VV-RVG

200,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG

190,00 EUR

Reisekosten Nr. 7003 VV-RVG

83,10 EUR

Ablichtungen Nr...

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