Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenübernahme für einen Integrationshelfer während des Schulbesuchs durch den Träger der Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. Nach § 54 Abs. 1 SGB 12 gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe u. a. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Ob ein Kind mit einer Autismuserkrankung in einer allgemeinen Schule inklusiv beschult wird oder in einer Förderschule aufgenommen wird, unterfällt der Entscheidung der Eltern im Rahmen ihres schulrechtlich gegebenen Wahlrechts. Dieses ist vom Träger der Sozialhilfe zu respektieren.

2. Benötigt das Kind in einer begabungsgerechten Schule innerhalb des Konzeptes der inklusiven Beschulung nach der Entscheidung des Schulamtes Hilfe i. S. von Unterstützung zur Bewältigung der organisatorisch-strukturellen Anforderungen des Schulalltags, so besteht eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 12, soweit solche Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Schulausbildung erforderlich sind.

3. Diese können dann auch pädagogischer Art sein, soweit es sich um eine den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule lediglich unterstützende Tätigkeit handelt. Der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers steht der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe nicht entgegen, wenn der Schulträger die zusätzlichen Kosten für einen Integrationshelfer während der Zeit des Schulbesuchs tatsächlich nicht aufbringt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 26. Oktober 2011 geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, bis zur Entscheidung im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt, Az.: S 28 SO 195/11, längstens jedoch bis zum Ende des Schuljahres 2012/2013, vorläufig die Kosten eines/einer Integrationshelfers/-helferin für die Beschulung des Antragstellers in der XY-Schule in A-Stadt im Umfang von 18 Stunden wöchentlich in gesetzlicher Höhe gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 € zu übernehmen. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bankbürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen deutschen Bank oder durch Hinterlegung beim Amtsgericht geleistet werden.

Im Übrigen werden der Antrag abgelehnt und die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger ¾ seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Integrationshilfe während des Schulbesuchs.

Der Antragsteller ist im Jahr 2003 geboren. Das Autismus-Therapieinstitut in AI. hat bei ihm einen atypischen Autismus diagnostiziert. Der Antragsteller besucht die 2. Klasse der XY Grundschule in A-Stadt; der Besuch der Schule ist durch Bescheid des Staatlichen Schulamtes für den Landkreis AM. und die Stadt AL. vom 2. September 2010 gemäß § 86 Hessisches Schulgesetz (HSchG) gestattet. Die Schule verfolgt das Konzept der inklusiven Beschulung und hat sich dem Modellprojekt “Begabungsgerechte Schule" angeschlossen. In diesem Schulversuch gibt es nach Angaben der Schulleiterin (Stellungnahme vom 14. März 2012) eine systemische Ressourcenzuweisung für Kinder mit Förderbedarf Lernen. Es erfolgt nach Erlass des Hessischen Kultusministeriums vom 31. Januar 2009 über die Genehmigung des Schulversuchs (Az: II.3 - 170.000.084 - 51) keine Feststellung eines möglichen sonderpädagogischen Förderbedarfs im Sinne der Schule für Lernhilfe. Die Klasse des Antragstellers erhält sieben Wochenstunden mit einer zusätzlichen Förderlehrerin, die zur Förderung aller Kinder verwendet werden, die alle auf der Grundlage eines individuellen Förderplans differenziert unterrichtet werden. Ziel des Schulversuchs ist es, bestmögliche Lernfortschritte für Schülerinnen und Schüler aller Begabungsebenen zu gewährleisten.

Im September 2010 hat der Antragsteller einen Integrationshelfer für den Besuch der Grundschule beantragt und die Auffassung vertreten, er benötige für den Schulbesuch eine Integrationskraft, die ihm während des Unterrichts zur Seite stehe und ihm beispielsweise beim Bereitlegen der Arbeitsmaterialien behilflich ist. Aufgrund seiner Behinderung sei er während des Unterrichts oftmals nicht selbständig in der Lage, die Arbeitsmaterialien entsprechend der Aufforderung seiner Lehrerin aus der Tasche zu holen. In Folge dessen könne er an den Übungen oftmals nicht richtig teilnehmen.

Der Antragsgegner hat den Antrag nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme vom 8. September 2010 mit Bescheid vom 12. November 2010 abgelehnt. Aus der amtsärztlichen Stellungnahme geht hervor, dass sich beim Antragsteller aufgrund der vorliegenden medizinischen und pädagogischen Unterlagen recht deutlich eine schwerwiegende Behinderung abzeichne, er somit grundsätzlich dem berechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe zuzurechnen sei. Der amtsärztliche Dienst komme zu dem Ergebnis, dass ein Bedarf an Beschulung an einer Schule für praktisch bildbare Kinder bestehe. Die ...

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