Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer bei inklusiver Beschulung. Nachrang der Sozialhilfe. kein Verweis auf den Besuch einer Förderschule. schulrechtliches Wahlrecht der Eltern. kein Verweis auf den Schulträger. bei Betroffenheit des Kernbereichs pädagogischer Arbeit eventuell Rückgriffsmöglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Benötigt ein behindertes Kind, welches an einem Down-Syndrom (Trisomie 21) leidet, im Rahmen einer inklusiven Beschulung in einer allgemeinen Schule zur Bewältigung des Schulalltages (zB bei Treppengängen, beim Toilettengang oder bei der Aufnahme der Lerninhalte bzw der Teilnahme am Unterricht) der Unterstützung eines Integrationshelfers, hat der Sozialhilfeträger Leistungen der Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung gem § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 zu erbringen, sofern die Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Schulausbildung liegen.

2. Die Entscheidung, ob ein behindertes Kind in einer allgemeinen Schule beschult oder die Aufnahme in eine Förderschule beantragt wird, obliegt den Eltern im Rahmen ihres schulrechtlich gegebenen Wahlrechts. Dieses Wahlrecht ist von dem Sozialhilfeträger zu respektieren (Anschluss an LSG Darmstadt vom 26.4.2012 - L 4 SO 297/11 B ER).

3. Dem Anspruch auf Eingliederungshilfe steht nicht der in § 2 Abs 1 SGB 12 niedergelegte Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe entgegen, sofern die Schule eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, unabhängig davon, ob die Schule hierzu verpflichtet wäre. Der Sozialhilfeträger muss vielmehr gegebenenfalls mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB 12) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen (Anschluss an BSG vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R = BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8).

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 30.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, die seit dem 13.08.2012 entstandenen Kosten einer Integrationshilfe für die Beschulung der Klägerin in der Mittelpunktschule CA. in DW. zu tragen.

2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine Integrationshilfe während des Besuchs einer Grundschule im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen.

Die 2006 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Chromosomenanomalie, dem so genannten Down-Syndrom (Trisomie 21). Im Zusammenhang mit der zum 01.08.2012 anstehenden Einschulung der Klägerin, welche einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung hat, entschieden sich die Eltern für eine inklusive Beschulung in der allgemeinen Schule. Daneben stellten sie bei dem Staatlichen Schulamt für den Landkreis Fulda den Antrag, die Beschulung der Klägerin nicht in der zuständigen Grundschule BJ. in B-Stadt, sondern in der Mittelpunktschule CA., DW. zu gestatten. Das Staatliche Schulamt beschied diesen Antrag mit Bescheid vom 15.08.2012 und legte zur Organisation der sonderpädagogischen Förderung der Klägerin fest, dass diese ab dem 13.08.2012 die vorgenannte Schule in CA. besucht.

Bereits am 20.06.2012 beantragten die Eltern der Klägerin bei dem Beklagten unter Vorlage einer förderdiagnostischen Stellungnahme vom 10.05.2012 die Bewilligung von Eingliederungshilfe für die Klägerin in Form eines Integrationshelfers und führten zur Begründung aus, dass die Mittelpunktschule in CA. bereit sei, die Klägerin für das Schuljahr 2012/2013 aufzunehmen, allerdings nur unter der Bedingung, dass ein Integrationshelfer während der Unterrichtsstunden und der Pausen zur Verfügung gestellt werde.

Mit Bescheid vom 30.07.2012 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin nach vorheriger Anhörung ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass aus der zwischenzeitlich eingeholten Stellungnahme seines Kreisgesundheitsamtes vom 28.06.2012 hervorgehe, dass bei der Klägerin ein erhöhter sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bestehe. Dementsprechend sei aus medizinischer Sicht die Beschulung der Klägerin innerhalb der Förderschule empfohlen worden. In der Förderschule könne die Klägerin ohne Leistungen der Eingliederungshilfe bedarfsgerecht beschult werden, so dass die Notwendigkeit des Bedarfs aufgrund einer alternativen Beschulung mit zusätzlicher Betreuung/Unterstützung eines Integrationshelfers nicht gegeben sei. Der Beklagte berief sich in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe i.S.v. § 2 SGB XII und führte aus, dass die erforderliche Leistung im vorliegenden Fall durch das Land Hessen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden könnte. Weiterhin führte der Beklagte aus, dass auch die Beachtung des Wunschrechts nach § 9 Abs. 2 SGB XII vorliegend nicht geboten sei. Daneben führte der Beklagte aus, dass sich aus dem Umstand der vom Gesetzgeber gewünschten inklusiven Beschulung nicht zwan...

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