Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Leistungsausschluss für dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB 2. Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB 12. Leistungsgewährung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12. keine Ermessensreduzierung auf Null nach mehr als sechsmonatigem Aufenthalt. Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 S 1, § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII). Ein Anspruch kann sich daher allenfalls aus der entsprechenden Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII ergeben (vom Senat offen gelassen).
2. Selbst bei Anwendung des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII haben Unionsbürger auch nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts im Bundesgebiet lediglich einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.
Von einer regelhaften Ermessensreduzierung auf Null ist nicht auszugehen (entgegen BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 48, vom 20.01.2016 - B 14 AS 15/15 R, vom 17.2.2016 - B 4 AS 24/14 R und vom 17.3.2016 - B 4 AS 32/15 R).
Tenor
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. August 2016 aufgehoben, soweit die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 2. Juli 2016 bis zur rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 30. September 2016, zu gewähren. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Die am 16. August 2016 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde der Beigeladenen mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. August 2016 aufzuheben, soweit die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 2. Juli 2016 bis zur rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 30. September 2016, zu gewähren und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch insoweit abzulehnen,
ist begründet.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nur Ansprüche des Antragstellers auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gegen die Beigeladene, da nur diese Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts eingelegt hat. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts nicht erhoben.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene liegen nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII nicht glaubhaft gemacht.
Die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs scheitert nicht bereits an einer Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem SGB II; denn dessen Leistungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II liegen bei dem Antragsteller vor. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -) in der Bundesrepublik Deutschland verfügt und ob er in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 2. Juli 2016 bis zum 30. September 2016 hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II ist bzw. gewesen ist.
Denn der Antragsteller, der sich nach seinen Angaben seit März 2015 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ist nach - der hier allein in Betracht kommenden - Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von L...