Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. einstweiliger Rechtsschutz. Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und Anordnungsanspruchs. Erfolgsaussicht. Verletztenrente. MdE-Höhe. Folgenabwägung. Ausnahmefall. existenznotwendiger Anspruch. unzumutbarer Nachteil
Orientierungssatz
1. Nur ausnahmsweise kann es im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG erforderlich sein, durch die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre.
2. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gem § 920 Abs 2 ZPO iVm § 86b Abs 2 S 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist - soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird - die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Ist sowohl der Ausgang des Hauptverfahrens offen als auch - wie bei der Höhe der MdE einer zu bewilligenden Unfallrente - eine vollständige Aufklärung wegen andauernder medizinischer Ermittlungen im Eilverfahren nicht zu erzielen, muss im Wege einer Folgenabwägung entschieden werden, welchen Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.
3. Eine Ausnahmesituation zur Befriedigung eines existenznotwendigen Anspruchs liegt bei der Bewilligung einer Verletztenrente durch einstweiligen Rechtsschutz nicht vor, weil es nicht Aufgabe des Unfallversicherungsträgers ist, das sog soziokulturelle Existenzminimum sicherzustellen. Daher ist dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache und die Sicherstellung des Lebensunterhalts durch entsprechende Antragstellung bei den zuständigen Trägern für Leistungen nach dem SGB 2 bzw dem SGB 12 zuzumuten.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 13. November 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Verletztenrente in bestimmtem Umfang und auf unbestimmte Zeit zu gewähren.
Die 1968 geborene Klägerin erlitt am 25. November 2002 auf dem Heimweg von ihrer beruflichen Tätigkeit als Buchhalterin einen Verkehrsunfall als Fußgängerin. Dabei wurde sie beim Überqueren einer Straße auf einem Zebrastreifen von einem Pkw erfasst. Sie erlitt eine komplexe Zertrümmerung fast der gesamten knöchernen linken Gesichtshälfte (Jochbeinfraktur, Jochbogenfraktur, Orbitabogenfraktur, Alveolarfortsatzfraktur, inkomplette Le Fort I Fraktur). Dem Unfall nachfolgend waren die microchirurgische Rekonstruktion des abgerissenen Nervus infraorbitalis, die Reposition der komplexen Gesichtsschädelfrakturen sowie weitere kiefer- und gesichtschirurgische Behandlungen vorgenommen worden.
Am 28. September 2005 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin wegen des Ereignisses vom 25. November 2002 die Gewährung von Entschädigungsleistungen in Form einer Verletztenrente. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 15. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2006 mit der Begründung ab, bei der Antragstellerin bestehe keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Dagegen hat die Klägerin am 13. Juli 2006 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben (Az.: S 8 U 187/06). Das SG hat in dem genannten Hauptsacheverfahren Prof. Dr. OER. als Sachverständigen angehört, der in seinem Gutachten vom 3. August 2007 zu dem Ergebnis gelangt ist, die unfallbedingte MdE der Antragstellerin betrage 20 v.H.. Diese Einschätzung hat der Sachverständige mit seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 4. Dezember 2007 und 9. Mai 2008 verteidigt. Bei der Klägerin liege eine Anpassungsstörung und auf psychischem Gebiet eine MdE von 10 v.H. vor. Auf somatischem Gebiet betrage nach der schweren Gesichtsfraktur mit entsprechend persistierenden Beschwerden im Sinne von Kopfschmerzen und dadurch bedingten Schlafstörungen die MdE weiterhin 10 v.H., so dass die Gesamt-MdE 20 v.H. betrage. Dem ist die Antragsgegnerin durch Vorlage beratungsärztlicher Stellungnahmen des Dr. EX. vom 19. September 2007 und 13. Februar 2008 entgegengetreten. Für die jetzige Beschwerdesymptomatik bei der Antragstellerin seien ausschließlich persönlichkeitsimmanente Faktoren als ursächlich anzusehen. Eine rentenberechtigende MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liege nicht vor.Das SG hat sodann ein neuropsychologisches Gutachten nach Aktenlage bei dem klinischen Neuropsychologen Dr. POWE. eingeholt, der unter dem 19. November 2008 zu dem Ergebnis gelangt ist, die Antragstellerin sei in ihrer Konzentrationsfähigkeit und in der psychophysischen Belastbarkeit beeinträchtigt. Durch eine ...