Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Kostenerstattung für Hyperthermie und dendritische Zelltherapie zur Behandlung eines Karzinoms
Orientierungssatz
1. Versicherte mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte medizinische Leistung nicht zur Verfügung steht, können nach § 2 Abs. 1 a S. 1 SGB 5 eine vom medizinischen Standard abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
2. Die Therapie einer Kombination von Hyperthermie und dendritischer Zelltherapie bei Karzinomen befindet sich in der wissenschaftlichen Entwicklung. Die Behandlung ist weder Inhalt des Leistungskatalogs des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistung (EBM), noch hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Empfehlung über den therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben. Allein der Umstand, dass auf diesem Gebiet geforscht wird, lässt die Anforderungen nach § 2 Abs. 1 a SGB 5 nicht entfallen, vgl. BSG, Urteil vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98.
3. Das Behandlungskonzept aus einem kombinierten Einsatz dendritischer Zellen, onkolytischer Viren und supportiver Hyperthermie stellt eine medizinische Vorgehensweise dar, welche weitgehend experimentellen Charakter hat.
4. Bei einer solchen Sachlage kann der Krankenversicherungsträger auch nicht durch Eilrechtsschutz im Rahmen einer Folgenabwägung verpflichtet werden, die Kosten der streitigen Therapie zu übernehmen.
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zum Abschluss der Hauptsache die Kosten ihrer Behandlung mittels Immuntherapie durch den Arzt QQ. auf der Grundlage seines Kostenvoranschlags vom 8. März 2012 zu übernehmen.
Die Antragstellerin, geboren im Jahr 1959 und bei der Antragsgegnerin krankenversichert, leidet an einem metastasierenden Ovarialkarzinom. Im November 2009 wurde eine operative Behandlung des Ovarialkarzinoms (pT4c pNO RI G2 FIGO III) mit anschließender Chemotherapie mit Paclitaxel und Carboplatin durchgeführt. Dem folgte ihm Jahr 2010 eine Behandlung mit Pazopanib im Rahmen einer Studie, die jedoch wegen Nebenwirkungen abgebrochen wurde. Im Dezember 2011 wurde die Diagnose V. a. Metastasen zwischen Magen und Pankreas sowie am Milzhilus gestellt. Im Gemeinschaftskrankenhaus WW. wurde am 7. März 2012 eine Computertomographie durchgeführt. Dabei wurden neu festgestellt: eine größer werdende flaue hypodense Zone im Segment IVa des linken Leberlappens (eine Differenzierung zwischen fokaler Verfettung oder Malignom war nicht möglich) sowie eine Milzmetastase. Die diagnostizierenden Ärzte sind von einem Prozess ausgegangen. Eine Sonographie des Abdomen am 14. März 2012 (Gemeinschaftskrankenhaus WW.) ergab eine echoarme Raumforderung der Leber im Segment IV sowie eine unklare Raumforderung zwischen Pankreasschwanz und Magen, die einem Milzhilus entspricht.
Am 19. März 2012 ging bei der Antragsgegnerin der Antrag der Antragstellerin ein auf Übernahme der Kosten einer Behandlung bei dem Arzt QQ. mittels Immuntherapie (mit Fieber, onkolytischen Vieren und dendritischen Zellen). Wegen der klinischen Brisanz bat die Antragstellerin um eine Entscheidung bis zum 30. März 2012.
Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in EE. e. V. (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, es liege unstreitig eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die vorgesehene Behandlung in Kombination verschiedener therapeutischer Ansätze (dendritischen Zellen und natürliche Killerzellen, hergestellt unter Aufsicht von Herrn QQ. im Onkolytischen Zentrum R-Stadt, onkolytischen Vieren mit zusätzlicher aktiver Hyperthermie (Fiebertherapie) und Tiefen-Hyperthermie) stelle eine experimentelle Therapie dar. Eine Abrechnungsmöglichkeit über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bestehe nicht und ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor. Weder für die einzelnen Elemente noch für die Kombinationsbehandlung stünden ausreichend wissenschaftlich geprüfte oder tragfähigen Anhaltspunkte zur Verfügung, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasierendem Ovarialkarzinom nach vorangegangener Chemotherapie belegten. Auffallend sei, dass von Seiten der behandelnden onkologischen Einrichtung keine Behandlungsempfehlung vorgelegt worden sei. Nach Auskunft der Versicherten habe im Zeitpunkt der Beantragung der vorliegend streitigen Therapie ein zusammenfassender Befund noch nicht vorgelegen. Nach Versagen der Standardtherapie im Stadium FIGO II-III mi...