Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Folge eines Arbeitsunfalls und die Gewährung von Verletztenrente aufgrund einer daraus resultierenden MdE ist zunächst die Feststellung einer derartigen konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert.
2. Zeigt sich eine Schmerzstörung erst nach dem Ende arbeitsunfallbedingter Schmerzen nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, so stellt diese eine vom Arbeitsunfall unabhängige und damit nicht kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführende Erkrankung dar.
3. Eine Somatisierungsstörung i. S. einer misslungenen Anpassung an körperliche Unfallfolgen ist nur dann im Zusammenhang mit dem Unfallereignis anzuerkennen, wenn tatsächlich anhaltende schwere körperliche Unfallfolgen vorliegen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger streitet um die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie um Anerkennung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der 1958 geborene Kläger war als Physiotherapeut bei der C. in Stadt und Kreis C-Stadt e.V. beschäftigt. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. November 2007 erlitt der Kläger am 11. Oktober 2007 im Stadtgebiet C-Stadt auf einer Dienstfahrt einen Verkehrsunfall mit einem VW Polo des Arbeitgebers. Ein anderer Pkw fuhr ihm in die rechte Seite, wodurch sich sein Pkw um 180 Grad drehte und mit dem Heck gegen ein Straßenschild prallte. Nach dem Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. D. vom 11. Oktober 2007 erlitt der Kläger eine Distorsion (Zerrung) der Halswirbelsäule (HWS) sowie eine Prellung des Brustkorbes. Röntgenbilder des Brustkorbes und der HWS zeigten keine knöchernen Verletzungen bei Bestehen einer HWS-Steilstellung. Degenerative Veränderungen bestanden an der unteren HWS.
Der Kläger verblieb in Heilbehandlung des Dr. D. wegen fortdauernder Beschwerden im Bereich von HWS und Nacken, weswegen er Fango und Krankengymnastik erhielt. Ab Dezember 2007 trat er in die Mitbehandlung des Chirurgen Dr. E. sowie der Neurologin und Psychiaterin F., die hierüber den Bericht vom 4. März 2008 erstattete. Am 7. April 2008 wurde der Kläger wieder arbeitsfähig.
Der Radiologe Dr. G. fertigte das HWS-MRT vom 30. Oktober 2007 sowie das MRT der Brustwirbelsäule (BWS) vom 5. Dezember 2007. Die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt (BGU), wo der Kläger neurochirurgisch behandelt worden war, erstattete den Bericht vom 21. November 2007. Sie diagnostizierte ein lokales Schmerzsyndrom und eine muskuläre Dysbalance bei Zustand nach Distorsion von HWS und BWS sowie eine ausgeprägte unfallunabhängig bestehende Osteochondrosis intervertebralis in Höhe Halswirbelkörper 5/6 und 6/7. Die Röntgenbefunde des Dr. G. belegten keine posttraumatischen Folgeverletzungen, so dass der Arbeitsunfall ein durch degenerative Veränderungen deutlich vorgeschädigtes Organ betroffen habe mit der Folge, dass eine Ausheilzeit von drei bis vier Wochen erwartet werden könne. Der Kläger wurde sodann vom 14. Januar bis 12. Februar 2008 in der BGU stationär behandelt, worüber die Klinik am 14. Februar 2008 berichtet hat. Bei den behandelten und fortdauernden Beschwerden habe es sich um die Folge der unfallunabhängigen Osteochondrosis intervertebralis an der unteren HWS gehandelt. Mit Abschluss des Heilverfahrens sei mit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes wurde der Kläger in der Klinik auch psychologisch betreut, worüber die Dipl.-Psychologin H. den Bericht vom 25. März 2008 gefertigt hat. Der Kläger habe während des stationären Aufenthaltes keinerlei psychische Beschwerden geltend gemacht. Die psychische Situation wurde als unauffällig bezeichnet. Es hätten sich weder in den Fragebogenverfahren Auffälligkeiten ergeben, die die aktuelle Schmerzsituation erklären könnten, noch hätten sich Hinweise für eine mangelnde Authentizität der Beschwerden ergeben.
Die Beklagte zog des Weiteren das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägers von der AOK Hessen bei sowie die polizeiliche Unfallakte vom Regierungspräsidium Kassel (Polizeidirektion C-Stadt). Sodann holte sie das unfallchirurgische Gutachten des Prof. J. vom 2. Mai 2008 ein, das dieser aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 14. April 2008 erstattete. Unfallbedingt sei von einer schweren muskulären Dysbalance nach Distorsion von HWS und BWS auszugehen, ggf. auch im Rahmen einer Aktivierung vorbestehender Veränderungen im HWS-Bereich durch den Arbeitsunfall. Nach Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) m...