Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungsbewilligung auf unbestimmte Zeit unter auflösender Bedingung. Unterkunft und Heizung. weder Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2 noch Einsatzgemeinschaft nach SGB 12. Produkttheorie. Abstellen auf Einzelperson
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Bewilligungsbescheid, der im Verfügungssatz bestimmt, Leistungen würden monatsweise weitergewährt, wenn keine Änderung in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen eintritt, enthält eine Leistungsbewilligung auf unbestimmte Zeit unter der auflösenden Bedingung des Eintritts der vorbenannten Änderung. Die auflösende Bedingung tritt erst ein, wenn die Änderung dem Bescheidadressaten mitgeteilt ist.
2. Lebt ein Sozialhilfeempfänger nicht in einer Einstandsgemeinschaft nach § 19 Abs 1 oder 2 SGB 12 bzw einer typengemischten Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB 2, sondern in einer bloßen Wohngemeinschaft, ist bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Produkttheorie allein auf ihn als Einzelperson abzustellen. Auf das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft kommt es nicht an (Anschluss an BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 12 und vom 19.5.2009 - B 8 SO 8/08 R = BSGE 103, 181 = SozR 4-3500 § 42 Nr 2).
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2010 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache verpflichtet, dem Antragsteller höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung der nach dem Kopfteilprinzip auf ihn anfallenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft ohne Berücksichtigung der Kosten der Anmietung eines Stellplatzes für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. August 2010 zu zahlen.
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung wird abgelehnt.
Gründe
Die am 21. April 2010 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2010 mit dem zuletzt geänderten Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2010 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die nach dem Kopfteilprinzip auf ihn anfallenden tatsächlichen Kosten der Unterkunft ohne Berücksichtigung der Anmietung eines Stellplatzes ab dem 1. Februar 2010 zu übernehmen,
ist bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass der Antragsteller den Antragsgegner nur bis zum 31. August 2010 verpflichten will, weil der Rechtsstreit in der Hauptsache zeitlich nicht weiterreicht und der Antragsteller sich mit dem entsprechenden Hinweis des Berichterstatters vom 30. Juni 2011 einverstanden erklärt hat, in dem eine Beschränkung des Streitgegenstands bis zur Folgebescheidung durch den Antragsgegner verdeutlicht ist.
Dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren liegt in der Hauptsache die am 11. Mai 2010 bei dem SG unter dem Az. S 30 SO 113/10 erhobene Klage (Anfechtungs- und - unechte - Leistungsklage) des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. Februar 2010 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2010 sowie in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. August 2010 zu Grunde, soweit die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft abgelehnt ist. Der so bezeichnete Gegenstand der Hauptsache unterliegt jedoch einer zeitlichen Beschränkung vom 1. Februar 2010 bis 31. August 2010, da ein weitergehender Bewilligungszeitraum dem in der Hauptsache angefochtenen Bescheid des Antragsgegners nicht zu entnehmen ist.
Entgegen seiner Rechtspflicht, Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung) in der Regel für ein Jahr zu bewilligen (§ 44 Abs. 1 S. 1 SGB XII), hat der Antragsgegner den Bewilligungszeitraum in dem Bewilligungsbescheid vom 20. Januar 2010 (Ausgangsbescheid) von vornherein begrenzt. Dabei geht der Senat bei einer Auslegung des Ausgangsbescheids auf Grundlage eines verständigen objektiven Dritten davon aus, dass die Bewilligung sich nicht nur auf den Monat Februar 2010 erstreckt, obwohl ausdrücklich die Bewilligung nur für diesen Monat verfügt ist. Das verdeutlicht der weitere Passus im Ausgangsbescheid: “Die bewilligte Leistung wird zunächst nur für einen Monat gewährt. Tritt keine Änderung in Ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen ein, so erfolgt - ohne weiteren Antrag - die monatliche Weitergewährung der bisher bewilligten Leistungen.„ Damit kommt hinreichend zum Ausdruck, dass die Bewilligung sich auf Folgemonate erstrecken soll, bis eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist (vgl. zur Bewilligung von Hilfe zum Lebensu...