Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Mietkaution. keine Aufrechnung der Tilgungsrate mit Grundsicherungsleistungen. Pfändungsgrenze. einstweiliger Rechtsschutz. Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Zeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
1. Mietkautionsdarlehen dürfen nicht mit laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Maßgabe von § 23 Abs 1 S 3 SGB 2 oder § 43 SGB 2 aufgerechnet werden. Die Träger der Leistungen nach dem SGB 2 müssen bei der Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens nach § 51 SGB 1 die Pfändungsgrenzen für die Pfändung von Arbeitseinkommen nach § 54 Abs 4 SGB 1 iVm § 850c Abs 1 ZPO beachten (Anschluss an LSG Darmstadt vom 5.9.2007 - L 6 AS 145/07 ER = info also 2007, 268 und vom 16.1.2008 - L 9 SO 121/07 ER für § 37 Abs 1 SGB 12).
2. Bei einer aus drei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft, die lediglich Leistungen nach dem SGB 2 und Kindergeld bezieht, ist bei einer laufenden monatlichen Einbehaltung von 25 € pro Person ein Anordnungsgrund gegeben, da ein solcher Betrag kein Bagatellbetrag ist.
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Gewährung einer Mietkaution kann nicht aus § 23 Abs 1 SGB 2 hergeleitet werden. Die Mietkaution ist keine Regelleistung iS des § 20 SGB 2, sondern gehört zu den in § 22 SGB 2 geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung.
2. Eine einstweilige Anordnung, die zur Abwendung einer unmittelbar drohenden oder gegenwärtigen Notlage dienen soll, kann sich regelmäßig erst auf Zeiträume ab dem Antragseingang bei Gericht und damit auf einen aktuellen Bedarf beziehen, es sei denn, ein Nachholbedarf für eine rückwirkende Bewilligung für Zeiträume vor dem Antragseingang ist hinreichend plausibel und glaubhaft gemacht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. November 2007 abgeändert und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig ab 2. Oktober 2007 Leistungen nach dem SGB II ohne Einbehaltung von Rückzahlungsbeträgen für die Mietkaution auszuzahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Instanzen zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 75 € wegen einer von der Antragsgegnerin in Höhe von 900 € darlehensweise gewährten Mietkaution.
Die Antragsteller stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zur 1. war vormals Eigentümer eines Anwesens in A Stadt, welches er in Abstimmung mit der Antragsgegnerin am 5. Juli 2007 veräußerte. Zum 1. Juli 2007 mieteten die Antragsteller die im Rubrum bezeichnete Wohnung an. Am 29. Juni 2007 beantragten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Mietkaution in Höhe von 900 € als rückzahlbares Darlehen und baten zugleich um monatliche Verrechnung in Höhe von 75 €. Daneben beantragten sie die Kostenübernahme für den Umzug. In dem Antrag nahmen die Antragsteller Bezug auf ein mit Herrn N. am 22. Juni 2007 geführtes Gespräch. Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 bewilligte die Antragsgegnerin die Zahlung für die Mietkaution in Höhe von 900 € “als Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 SGB II„. Zugleich führte sie in dem Bescheid wie folgt aus: "… die Ihnen zustehende Regelleistung wird unter Berücksichtigung der oben genannten Rechtsvorschrift ab dem 01.08.2007 in Höhe von derzeit 75 € gegen die laufenden Leistungen monatlich aufgerechnet." Weiterhin führte die Antragsgegnerin in diesem Bescheid aus, dass sich spätere Änderungen der Regelleistungen auch auf die Höhe der Tilgungsrate auswirkten. Unter Berücksichtigung des ihr obliegenden Ermessens und unter Abwägung des öffentlichen Interesses ergäben sich keine Anhaltspunkte, die gegen eine Aufrechnung sprechen würden. Auch die Höhe von 75 € sei angemessen. Anhaltspunkte, auch nur teilweise von der Aufrechnung abzusehen, lägen nicht vor. Sie versah den Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung. Die Antragsteller legten dagegen keinen Widerspruch ein.
Auf den am 11. Juli 2007 gestellten Folgeantrag hin bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12. Juli 2007 für die Antragsteller für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 monatliche Leistungen in Höhe von 1235,96 €, wobei der Bewilligung Regelleistungen unter Berücksichtigung des bei dem Antragsteller zu 3. berücksichtigten Kindergeldes von insgesamt 748 € zu Grunde lagen, ein Mehrbedarf für den Antragsteller zu 1. in Höhe von 25,56 €, sowie jeweils anteilige Unterkunftskosten und Heizkosten in Höhe von 154,14 € pro Person. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juli 2007 Widerspruch ein und wandten sich gegen die Höhe der berechneten Leistungen für die Unterkunft und Heizung. Ausweislich der in der Akte befindlichen Zahlungsübersichten behielt die Antragsgegnerin von den bewilligten Regelleistungen in Höhe von 748 € 75 € monatlich ein...