Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit der Klageerhebung. Ablehnung der angebotenen Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens. Veranlassungsprinzip. Beiordnung eines Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Bietet die Verwaltungsbehörde einem Widerspruchsführer an, ein Verfahren wegen eines beim BVerfG anhängigen Verfahrens, welches auch die vom Widerspruchsführer aufgeworfenen Rechtsfragen tangiert, ruhend zu stellen, ist die nach Beharren auf der Entscheidung im Widerspruchsverfahren erfolgte Klageerhebung als mutwillig anzusehen.
Ein verständiger Kläger würde in dieser Situation auch wegen des Kostenrisikos hinsichtlich der Anwaltsgebühren mit Blick auf das nach § 193 SGG entscheidungserhebliche Veranlassungsprinzip das Widerspruchsverfahren zunächst ruhen lassen.
Es erscheint zumindest zweifelhaft, ob für eine Klageerhebung und einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erforderlich ist.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 25. März 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Kläger zu Recht abgelehnt, da die Klageerhebung durch den Kläger als mutwillig erscheint.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 73a SGG, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) neben der - hier unstreitigen - Bedürftigkeit des Klägers voraus, dass das Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Unter Beachtung des Vorlagebeschlusses des erkennenden Senats vom 29. Oktober 2008 im Verfahren L 6 AS 336/07 kann dem Verfahren des Klägers die erforderliche Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden.
Allerdings war die Klageerhebung am 8. Januar 2009, mithin nach Erlass und Veröffentlichung des oben genannten Beschlusses und vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vorlage des erkennenden Senats im Hinblick auf das Angebot des Beklagten, das Widerspruchsverfahren auszusetzen, mutwillig. Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung dann, wenn ein verständiger Beteiligter, der für die Prozesskosten selbst aufzukommen hätte, seine Rechte nicht in der gleichen Weise geltend machen würde (BSG Beschl. v. 24. Mai 2000 - B 1 KR 4/99 BH -; Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl 2008, § 73a RdNr 8; m. w. N.). Das ist insbesondere anzunehmen, wenn der Beteiligte seine Ziele auf andere Weise mit geringerem Kostenaufwand erreichen könnte (Meyer-Ladewig, a.a.O.). Dies ist hier der Fall, denn für einen verständigen, auf sein Prozessrisiko und die damit verbundenen Kosten achtenden Beteiligten drängt es sich geradezu auf, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Höhe der Regelleistungen abzuwarten, bevor in eigener Sache geklagt wird. Dies umso mehr, wenn seitens der Beklagten im laufenden Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse beim Bundesverfassungsgericht die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens angeboten wird. Insoweit wird zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Kassel verwiesen. Ergänzend wird im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall gerade der Vorlagebeschluss des erkennenden Senates vom 29. Oktober 2008 im Verfahren L 6 AS 336/07 ganz konkrete Fragen aufwirft, die auch für das vom Kläger als alleinstehenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verfolgte Rechtsschutzbegehren von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der erkennende Senat hat in dem oben genannten Beschluss die Methode der Bemessung der Regelleistungen im SGB II an sich infrage gestellt (vgl. Beschl. v. 29. Oktober 2008 - L 6 AS 336/07 -, “VII. Fazit und Konsequenzen für den Kontrollmaßstab des Senats„, S. 47 ff). Sollte das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Methode der Bemessung der Regelleistungen insbesondere auch in Bezug auf die Regelleistung für alleinstehende Hilfebedürftige verfassungswidrig ist, wäre dies für das Verfahren des Klägers von ausschlaggebender Bedeutung. Das gleiche gilt, wenn das Bundesverfassungsgericht zu der gegenteiligen Auffassung gelangen sollte. In beiden Fällen könnte der Kläger sein weiteres Vorgehen dann problemlos an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts orientieren. Dass der Kläger in diesem Verfahrensstadium auf eine Entscheidung hinsichtlich seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Juli 2008 gedrängt hat, lässt sich daher aus prozessökonomischen Überlegungen heraus zur Überzeugung des Senats nicht erklären.
Darüber hinaus hätte sich ein verständiger Kläger bei der hier gegebenen Sachlage derzeit auch deshalb von einem Weiterbetreiben des Widerspruchsverfahrens und der anschließenden Klageerhebung abhalten lassen, weil eine Erledigung schon de...