Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Prozesskostenhilfe wegen Entbehrlichkeit anwaltlicher Hilfe
Orientierungssatz
1. Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, wenn der Kläger keine anwaltliche Hilfe benötigt.
2. Ist zu der maßgeblichen Rechtsfrage beim BVerfG bereits ein Verfahren anhängig, so ist es bei Abwägung des Kostenrisikos ohne Verstoß gegen die Rechtsschutzgleichheit zumutbar, das eigene Verfahren zurückzustellen und die zu erwartende Entscheidung des BVerfG abzuwarten. Denn ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger wird auf eigene Kosten ein Verfahren nicht betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in einem anderen Verfahren anhängig ist. Im Fall einer für ihn positiven Entscheidung profitiert er für das eigene Verfahren ohne Kostenrisiko.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31. August 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114 Zivilprozessordnung. Ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheid vom 3.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2009, mutwillig erscheint oder bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, lässt der Senat offen. Jedenfalls scheint die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich, §§ 73a Abs 1 Satz 1, 121 Abs 2 ZPO. Zielt - wie hier - der Antrag auf Prozesskostenhilfe erkennbar ausschließlich auf die Beiordnung eines Rechtsanwalts ab (das ist in Verfahren, in denen Gerichtskosten nicht erhoben werden, der Regelfall, vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 9.Aufl. 2009. § 73a Rdnr 9), ist Prozesskostenhilfe gänzlich zu versagen, wenn die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich erscheint. So liegt der Fall hier.
In dem - abgetrennten - Klageverfahren begehrt die Klägerin für sich und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft (BG) lebende minderjährige Tochter höhere Regelleistungen mit der (einzigen) Begründung, von einem Regelsatz in Höhe von EUR 211 sei die Tochter der Klägerin "nicht zu finanzieren"; dieser Regelsatz liege unterhalb des Existenzminimums. Streitig ist damit nach der Systematik des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) die Höhe der Regelleistung beider Mitglieder der BG, so dass der Senat keine Bedenken hat anzunehmen, dass die Klage für beide Mitglieder der BG erhoben wurde. Der angefochtene Bescheid regelt für Februar 2009 die Höhe der Regelleistung der Klägerin und ihrer Tochter. Nur diese - abtrennbaren -Verfügungssätze sind Gegenstand der Klage (Umkehrschluss aus BSGE 97, 217, 222=SozR 4-4200 § 22 Nr 1, Rdnr 18). Wird in einer Bedarfsgemeinschaft eine höhere Regelleistung für ein Mitglied der BG begehrt, ist - jedenfalls in Fällen der Einkommensanrechnung - die Regelleistung aller betroffen. Denn die Einkommensanrechnung erfolgt nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf. Das bedeutet, dass sich mit der Veränderung des eigenen Bedarfs im Verhältnis zum Bedarf anderer BG-Mltglieder automatisch das Verhältnis der anteiligen Einkommensanrechnung verändert und damit die Höhe der Regelleistung für sämtliche Mitglieder der BG betroffen ist, gleich welche der verschiedenen Berechnungsmethoden man anwendet (horizontale, vertikale, horizontal-vertikale oder sonstige, vgl dazu Brühl/Schoch in: Münder. SGB II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Lehr- und Praxiskommentar. 3. Aufl. 2009. § 9 Rdnrn 46-55 mwN).
Um Ihr Prozessziel zu erreichen, benötigt die Klägerin allerdings keine anwaltliche Hilfe, § 121 Abs 2 ZPO. Ihr Begehren ist de lege lata aus einfachem Recht nicht herzuleiten. Insbesondere kann die Beklagte aus einfachem Recht nicht zur Gewährung einer höheren Regelleistung verurteilt werden, als das Gesetz vorsieht, weil sowohl die Beklagte als auch die Gerichte an Gesetz und (geltendes) Recht gebunden sind, Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG). In einem solchen Fall besteht nur dann Anspruch auf höhere Leistung, wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund eines Vorlagebeschlusses Art 100 Abs 1 GG) oder einer Verfassungsbeschwerde (Art 93 Abs 1 Nr 4a GG) die einschlägige Norm (hier: § 28 Abs 1 Satz 3 SGB II) für verfassungswidrig und von Verfassungs wegen einen höheren Anspruch für begründet hält. Zu dieser Rechtsfrage sind beim BVerfG mehrere Verfahren anhängig (seit Januar 2009: Vorlagebeschluss des LSG Darmstadt vom 28.10.2008, Az 1 BvL 1/09; seit März 2009: Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts vom 27.1.2010, 1 BvL 3/09 und 1 ...