Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsmaßstab bei selbst genutztem Hausgrundstück als Schonvermögen. Zumutbarkeit der Kostensenkung. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Höhe der Unterkunftskosten gemäß § 22 SGB 2 wird grundsätzlich durch ihre Angemessenheit begrenzt. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist daher allein der von dem Hilfeempfänger für die Unterkunft aufzubringende Geldbetrag. Dabei kommt es nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift nicht darauf an, ob der Hilfeempfänger Aufwendungen für eine gemietete Wohnung oder für eine selbst genutzte Eigentumswohnung bzw ein selbst genutztes Eigenheim hat. Auch aus Gründen der Gleichbehandlung von Eigentümern und Mietern erfolgt die Berechnung der vom Leistungsträger zu leistenden Unterkunftskosten bei Mietwohnungen und selbst bewohnten Eigenheimen im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen.
2. Der Senat sieht darin keinen Wertungswiderspruch zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2. Die Vorschrift verbietet nur, den Hilfesuchenden auf eine Verwertung seiner Immobilie zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu verweisen. Sie gewährt dem Hilfesuchenden aber keinen Anspruch auf Leistungen zur Erhaltung des Vermögensgegenstandes. Der Anspruch auf Gewährung der Kosten der Unterkunft folgt ausschließlich aus § 22 SGB 2.
3. Auch bei geschütztem Wohneigentum besteht die Verpflichtung zur Senkung der Kosten auf einen angemessenen Betrag durch Vermietung oder Wohnungswechsel.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betroffen ist.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Es geht in dem vorliegenden Verfahren um die Höhe der von der Antragsgegnerin zu übernehmenden Kosten der Unterkunft bei selbst bewohntem Eigenheim und dabei speziell um die Übernahme von Darlehenszinsen und Nebenkosten in Höhe von ca. 860 € monatlich für eine Person. Der 1964 geborene und verheiratete Antragsteller bewohnt derzeit allein ein 1996 erbautes Eigenheim (149 qm Wohnfläche, 816 qm Grundstück). Er gibt an, dass er einen Raum von 22 qm gewerblich nutzt. Es besteht eine monatliche Zinsbelastung von 392,09 €; Nebenkosten fallen in Höhe von monatlich 145,47 € an; die Kosten einer Gasheizung werden mit monatlich 114 € angegeben. Ausweislich eines Schreibens der Treuhandstelle Hessen vom 30. Dezember 2004 waren für die gewährten Darlehen Leistungsrückstände von 13.146,82 € aufgelaufen, entgegenkommenderweise sei man mit monatlichen Ratenzahlungen in Höhe von 639,12 € einverstanden, wenn die angegebenen Sondertilgungen möglichst kurzfristig geleistet würden; zuvor waren zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen monatliche Zahlungen in Höhe von 1.200 € verlangt worden.
Der Antragsteller bezog zuletzt bis Juli 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 189,14 € wöchentlich (= monatlich 819,60 €). Für die Zeit von August 2004 bis Januar 2005 gewährte die Bundesagentur für Arbeit dem Antragsteller zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Preisagentur J. - F.) ein monatliches Überbrückungsgeld von 1.099,98 € als Zuschuss. Ausweislich einer Gewinnermittlung standen für die Zeit von August bis Dezember 2004 Einnahmen in Höhe von 925 € Betriebsausgaben in Höhe von 2.136 € gegenüber. Im Januar 2006 ging der Antragsteller von voraussichtlichen Betriebseinnahmen in Höhe von 800 € (abzüglich Ausgaben) für das kommende Halbjahr aus.
Ab März 2005 erhielt der Antragsteller Leistungen von der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der geltend gemachten Zinsen zusätzlich 91,62 € für Heizung (Absetzung für Warmwasser) und 145,47 € für Betriebskosten. Im April 2005 soll die Ehefrau des Klägers mit dem gemeinsamen Sohn (geboren 1995) ausgezogen sein. Auch noch mit Bescheid vom 2. August 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Zeit von August 2005 bis einschließlich Januar 2006 monatliche Leistungen in Höhe von 1.052,18 €. In einem Zusatz wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Unterkunftskosten nicht angemessen seien und deshalb ab Januar 2006 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 215 € Miete einschließlich Nebenkosten und 40 € für Heizkosten übernommen werden könnten. Eine Anfrage des Antragstellers, mit welchen Leistungen er zu rechnen habe, wenn seine jetzige Lebensgefährtin mit dem im Dezember zu erwartenden gemeinsamen Kind zu ihm ziehe, beantwortete die Antragsgegnerin dahin, dass sie evtl. in Zukunft eintretende Ereignisse nicht durch Bescheide festhalten könne. Er möge rechtzeitig eine Veränderungsanzeige vorlegen. Auf den Antrag des Antragstellers bewilligte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. Februar 2006 monatliche Leistungen von Februar bis Juli 2006 in Höhe von 684,50 € (Regelleistung 345 €, Kosten der Unterkunft 261,50 € [davon Nebenkosten 15 €, Heizkosten anteilig 46,50 €], Zuschüsse zur privaten Rentenversicherung 78 €). ...