Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Abgrenzung: abhängiges Beschäftigungsverhältnis. unternehmerähnliche Tätigkeit. Auftragsverhältnis. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Gefälligkeit. familiäre Beziehung. Architekt und Ingenieur. Reparaturarbeiten am Dach der Mutter
Orientierungssatz
Ein Hochbautechniker, der im Rahmen eines frei vereinbarten Auftrags- bzw Dienstverhältnisses bei Reparaturarbeiten am Dach seiner Mutter verunglückte, steht weder gem § 539 Abs 1 Nr 1 RVO noch gem § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 20. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob der Kläger unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, als er bei Ausführung von Reparaturarbeiten vom Dach stürzte.
Der 1946 geborene Kläger ist selbständig tätiger Hochbautechniker. Er betreibt in dem von ihm und seiner Familie bewohnten Haus ein Büro für Architektur, Bauleitung, Konstruktion und Statik. Aufgrund dieser unternehmerischen Tätigkeit bestand keine Mitgliedschaft zu einer Bau-Berufsgenossenschaft (Bau-BG). In unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Haus des Klägers steht dessen Elternhaus. Die die beiden Häuser umgebenden Grundstücke bildeten ursprünglich eine Einheit. Im Jahr 1976 übertrug der Vater des Klägers einen Teil dieses Grundstücks unentgeltlich auf den Kläger, der darauf das Haus mit Wohnung und Büro erbaute. Die beiden Grundstücke sind nicht durch einen Zaun getrennt, jedoch ist die gemeinsame Grenze optisch erkennbar. Der Vater des Klägers verstarb im Jahre 1993, seitdem lebt die Mutter des Klägers, die im Juli 1996 knapp 75 Jahre alt war, allein im Elternhaus. Die im Jahre 1996 noch rüstige Mutter versorgte ihren Haushalt selbständig. Lediglich zum Einkaufen wurde sie hin und wieder von der Ehefrau des Klägers in den Ort gefahren. Die im Haus der Mutter anfallenden kleineren Reparaturen und auch Tapezierarbeiten erledigten der Kläger und seine Ehefrau. Bei größeren oder technisch schwierigen Reparaturen bestellten sie einen Handwerker und sorgten dafür, dass die Reparatur durchgeführt wurde. Außerdem erledigten sie schwere Gartenarbeiten, wie Rasenmähen und Umgraben. Einfache Gartenarbeiten, wie z.B. die Blumenpflege, verrichtete die Mutter selbst. Eine Bezahlung erhielten die Eheleute für ihre Mithilfe nicht. Ihren Angaben zufolge bezahlte die Mutter des Klägers die einmal im Jahr anfallende Ölrechnung. Mitte des Jahres 1996 wurde der Kläger von seiner Mutter gebeten, die Regenrinne einer Dachgaube zu erneuern, weil die Regenrinne undicht war und tropfte. Der Kläger besorgte zunächst eine neue Regenrinne, die auf Lieferschein gebracht wurde, was seinen Angaben zufolge nur einen geringen Zeitaufwand erforderte, weil er an diesem Tag ohnehin beruflich unterwegs war. Am Morgen des 18. Juli 1996 begann der Kläger morgens um 8.00 Uhr mit den Arbeiten. Er entfernte zunächst einige Dachziegel unter der Gaube und brachte dort Stützen an, auf die er ein Gerüst aufbaute. Auf diesem Gerüst stehend entfernte er die alte Dachrinne und befestigte die neue. Als er das Gerüst bereits abgebaut hatte, fiel dem Kläger auf, dass er vergessen hatte, die Dachziegel unter der Gaube wieder in die richtige Position zu bringen. Er stieg deshalb auf einer Leiter nach oben, um die Dachziegel wieder richtig zu befestigen. Als er an einem der Dachziegel rüttelte und zog, fiel die Leiter nach rechts um und der Kläger stürzte nach links von der Leiter. Er stürzte auf ein Blumenbeet, auf dem zur Verschönerung einige größere Steine ausgelegt waren. Der Unfall ereignete sich nach einer zweistündigen Mittagspause um 15.30 Uhr am Nachmittag. Infolge des Sturzes ist der Kläger unterhalb von L3 querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, die Kosten für die Regenrinne seien von seiner Mutter übernommen worden. Das von ihm aufgestellte Gerüst habe ihm selbst gehört.
Mit Bescheid vom 24. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil das Ereignis vom 18. Juli 1996 keinen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstelle. Der Kläger habe nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu seiner Mutter gestanden. Der Kläger sei auch nicht wie ein Beschäftigter gemäß § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) tätig geworden. Denn es habe sich bei den Reparaturarbeiten um eine Gefälligkeitshandlung gehandelt, wie sie aufgrund der familiären Beziehungen üblich und geradezu selbstverständlich gewesen sei und von der Mutter des Klägers habe erwartet werden können.
Den gegen diesen Widerspruchsbescheid am 5. April 2000 eingelegte...