Leitsatz (amtlich)
Der Versicherungsschutz bei Gefälligkeitsfahrten hängt nicht von einem zuvor getätigten oder bald bevorstehenden Geschäftsabschluß sondern nur davon ab, ob ein unmittelbarer Zusammenhang mit einem konkreten geschäftlichen Vorgang besteht.
Normenkette
RVO § 54
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.08.1971) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 11. August 1971 und der Bescheid vom 4. Dezember 1969 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, das Ereignis am 9. Mai 1968 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
III. Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der im Jahre 1938 geborene Kläger ist einer der Geschäftsführer der Firma R. GmbH in F., die Edelstähle verkauft. Seit Ende 1969 ist er auch Gesellschafter. Er erlitt am 9. Mai 1968 gegen 2,30 Uhr in B. Dadurch einen Verkehrsunfall, daß er mit einem firmeneigenen Pkw auf einen parkenden Lkw auffuhr und sich dabei Kopfverletzungen zuzog. Nach seinen Angaben befand sich der Kläger auf der Fahrt von F. Nach F., wo er damals wohnte, nachdem er zuvor den Stahleinkäufer der Firma W., F., D. S., im Anschluß an ein Verkaufsgespräch, das in der Zeit von 18,30 Uhr bis 23,30 Uhr in einer Gastwirtschaft in F. Stattfand, zu dessen Wohnung in F. Gefahren hatte.
Nachdem die Beklagte den Angestellten S. Und den Kläger durch das Versicherungsamt F. Hatte vernehmen lassen und die polizeiliche Ermittlungsakte beigezogen hatte, derzufolge beim Kläger eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,6 ‰ festgestellt wurde, lehnte sie dessen Entschädigungsanspruch mit Bescheid vom 4. Dezember 1969 ab. Selbst wenn man unterstelle, daß die geschäftliche Besprechung des Klägers in F. Bis 23,30 Uhr gedauert habe, wäre diese spätestens in diesem Zeitpunkt beendet gewesen, während sich der Unfall weit nach Mitternacht zugetragen habe. Die Fahrt nach F. Sei als eine private Gefälligkeitsleistung zu werten, durch die dem Angestellten S. Lediglich eine Bahnfahrt habe erspart werden sollen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 22. Dezember 1969 beim Sozialgericht Frankfurt a.M. Klage erhoben und erklärt, er könne sich sicher nur noch an die Fahrt bis F. Erinnern, von da ab habe er eine Erinnerungslücke.
Das Sozialgericht vernahm den Kaufmann D. S. Als Zeugen und holte von dem Leiter der Zweigniederlassung F. Der Firma W., G. H., eine Auskunft darüber ein, inwieweit S. Für diese Firma verhandlungsbefugt gewesen sei. Danach war S. Berechtigt für die Firma W. Einkaufs- und Verkaufsgespräche über Edelstähle zu führen. Die Zeit von 18,30 Uhr bis 23,30 Uhr halte er für das damalige Gespräch mit dem Kläger als nicht übersetzt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. August 1971 abgewiesen. Zwar sei der Kläger am 8. Mai 1968 ab 18,30 Uhr in F. Geschäftlich tätig gewesen und habe in einer Gaststätte mit dem Zeugen S. Ein Verkaufsgespräch geführt. Wann diese Besprechung beendet gewesen sei, könne nicht mehr festgestellt werden. Da sie nur vorbereitenden Charakter für einen Geschäftsabschluß gehabt habe, habe es sich bei der anschließenden Fahrt nach F. Um eine nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Gefälligkeitsfahrt gehandelt. Außerdem sei im Unfallzeitpunkt um 2,30 Uhr eine Lösung vom Betrieb eingetreten gewesen, weil die Besprechung nach den Bekundungen des Zeugen S. Nur bis 23,30 Uhr gedauert und die Fahrtzeit von F. Nach F. Ca. ¾ Stunden betragen habe. Schließlich sei der Versicherungsschutz auch deshalb entfallen, weil nach der Erfahrung des täglichen Lebens nicht angenommen werden könne, daß auch ein nicht unter Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer bei gleicher Sachlage verunglückt wäre.
Gegen das ihm am 2. September 1971 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. September 1971 Berufung eingelegt.
Er trägt u.a. vor, bei seiner Besprechung mit dem Zeugen S. In der Zeit von 18,30 bis 23,30 Uhr habe es sich um eine geschäftliche Zusammenkunft gehandelt, wobei die Nichtzustandekommen eines Geschäftsabschlusses versicherungsrechtlich unschädlich sei. Seine Fahrt mit dem Zeugen S. Nach F. Habe in einer konkreten und unmittelbaren Beziehung zu betrieblichen Zwecken gestanden, weil er mit S. Von dem Fehlen einer geeigneten Zugverbindung ausgegangen sei. Es könne auch nicht durch Zeitablauf zu einer Lösung vom Betrieb gekommen sein, weil nur ungefähre Zeitangaben vorlägen und bisher nicht aufgeklärt worden sei, wann er die Rückfahrt von F. Angetreten habe. Auch könne die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sein, weil Zweifel an dem mit 5 Uhr angegebenen Zeitpunkt der Blutentnahme und damit an der Rückrechnung bei der Bestimmung der BAK bestünden und auch bei der Annahme eines Wertes von nur 0,6 ‰ keine Verkehrsuntüchtigkeit als alleinige Ursache in Betracht komme.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 4. Deze...