Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Anerkennung und Entschädigung einer LWS-BK nach SGB 7 § 9 Abs 1 i.V.m. Nr. 2110 der Anlage zur BKV
Orientierungssatz
1. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, i. S. des Vollbeweises nachgewiesen sind.
2. Für die sog. haftungsbegründende Kausalität zwischen den Einwirkungen und der erforderlichen Erkrankung reicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Dies ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägung so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können.
3. Wenn bei der Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule berufliche Einwirkungen im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur BKV zusammenwirken, können beide Berufskrankheiten nebeneinander vorliegen, auch wenn bei gesonderter Betrachtung die Orientierungswerte für die jeweiligen schädigenden Einwirkungen nicht erreicht sind (Anschluss: BSG, 2006-06-27, B 2 U 9/05 R, SGb 2007, 558).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist in diesem Rechtsstreit die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulen-Berufskrankheit (LWS-BK) nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig. Das Verfahren bezüglich der Anerkennung einer LWS-BK der Nr. 2108 der Anlage zur BKV wurde abgetrennt und ruhend gestellt. Bezüglich der Anerkennung einer Halswirbelsäulen-Berufskrankheit (HWS-BK) gemäß Nr. 2109 der Anlage zur BKV hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
Der 1946 geborene Kläger erlernte den Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers und übte diesen Beruf, unterbrochen durch eine zweijährige Wehrdienstzeit, bis zu Beginn der 70er Jahre aus. Von Juli 1971 bis Ende Dezember 1995 war er als selbstständiger Betonpumpenfahrer und Mitunternehmer der Firma MM GmbH & Co. KG in D-Stadt tätig. Von Juni 1996 bis zum 15. Oktober 1996 arbeitete er als angestellter Betonpumpenfahrer bei der Firma MM GmbH & Co. KG in DD. Anschließend war der Kläger arbeitslos und ließ sich zum Heilpraktiker umschulen. Seit September 1999 betreibt er als Heilpraktiker eine eigene Praxis. Im Juni 1993 wurde beim Kläger, nachdem bereits seit einigen Jahren Wirbelsäulenprobleme bekannt waren, ein Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 festgestellt und im Jahre 1995 eine Protrusion im Segment L4/5. Der Kläger bezieht aufgrund des Wirbelsäulenschadens eine private Berufsunfähigkeitsrente sowie seit September 2000 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Deutschen Rentenversicherung Hessen.
Die Beklagte veranlasste die Einholung eines Gutachtens im Juni 1993 aufgrund eines am 6. Dezember 1986 erlittenen Arbeitsunfalles, bei welchem der linke Arm des Klägers verletzt worden war. Im Rahmen der Begutachtung äußerte er den Verdacht, dass seine Wirbelsäulenerkrankung auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Es folgte eine Anzeige auf Verdacht des Bestehens einer BK des Arbeitgebers des Klägers, der Firma MM im September 1993.
Die Beklagte holte daraufhin eine Arbeitgeberauskunft zu Art und Ausmaß der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit samt einer Fotodokumentation ein, zog das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK sowie der privaten Krankenversicherung bei als auch Befundberichte des behandelnden Arztes für Neurologie und Chirotherapie Prof. Dr. J. sowie des Orthopäden Dr. SX. sowie diverse Röntgen- und CT-Aufnahmen. Zudem holte die Beklagte eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. AAH. vom 10. Dezember 1993 ein, der darin ausführte, dass der Wirbelsäulenschaden des Klägers auf eine anlagebedingte Wirbelsäulenfehlform zurückzuführen und daher nicht beruflich verursacht sei. Schließlich holte die Beklagte eine Stellungnahme der Landesgewerbeärztin vom 22. Februar 1994 ein, die sich dieser Beurteilung des beratenden Arztes anschloss mit der Begründung, dass der Bandscheibenschaden L5/S1 auf die anlagebedingte deutliche linkskonvexe Skoliose mit einer Aufbaustörung in den Segmenten L4/5 und S1 zurückzuführen sei.
Durch zwei Bescheide mit Datum vom 26. April 1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung als BK nach Nr. 2108 bzw. nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV ab und begründete dies damit, dass die hierzu erforderlichen medizinischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Es spreche mehr dafür, dass der Wirbelsäulenschaden auf die anlagebedingte Fehlbildung der Wirbelsäule zurückzuführen sei, weshalb dahinstehen könne, ob die beruflichen Tätigkeiten geeignet gewesen seien, eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu verursachen. Der Kläger legte hiergegen Widers...