Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 27.09.1996; Aktenzeichen S-6B/Vg-681/95) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 27. September 1996 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben sich die Beteiligten keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig der Anspruch des Klägers auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der … 1967 geborene Kläger beantragte am 27. August 1993 bei dem Beklagten wegen seiner am 20. Februar 1993 erlittenen Verletzungen Leistungen nach dem OEG. Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Amtsgerichts Korbach vom 15. August 1994 (424 Js 27536.5/93 a–c; 4 Ls jug) bei, wonach A. W. (Schädiger) wegen gefährlicher Körperverletzung in diesem Falle zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Korbach ergab sich folgender Ablauf:
„In der Nacht zum 20.02.1993 hielten sich alle drei Angeklagten (A. W., M. B., R. R.) gemeinsam mit weiteren Bekannten, die allesamt wie sie der Skinhead-Szene angehörten, in der Diskothek „D. T.” in K. auf. Sie hatten in erheblichem Umfang dem Alkohol zugesprochen. Während im Verlauf des Abends der Angeklagte R. sich entfernte, blieben die Angeklagten W. und B. noch in der Diskothek.
Etwa gegen 1.00 Uhr in der Nacht zum 20.02.1993 kam der Zeuge H., der zunächst an einer Geburtstagsfeier teilgenommen hatte und ebenfalls etwas alkoholisiert war, ebenfalls in die Diskothek „D. T.”, wo es nun möglicherweise zu einer kurzen wörtlichen Auseinandersetzung mit dem Zeugen C. M. kam. Möglicherweise unterrichtete der C. M. den Angeklagten W. von dieser ggf. erfolgten kurzen Auseinandersetzung. Hierauf begab sich der Angeklagte W. zu dem Zeugen H. hin, wobei dieser den Angeklagten, wohl bedingt durch das Gedränge in der Diskothek, anrempelte. Auf eine inhaltlich nicht näher feststellbare Äußerung des Angeklagten W. antwortete der Zeuge H. sinngemäß, der Angeklagte W., der damals eine Glatze trug, möge sich doch einmal nach einem anderen Friseur umsehen. Der Angeklagte W. erfaßte nunmehr ein auf der Theke stehendes Bierglas in Form eines Kruges mit Henkel und schlug dieses unversehens dem Zeugen H. ins Gesicht, worauf dieser sofort zu Boden stürzte. Unmittelbar anschließend trat der Angeklagte, der Springerstiefel mit Stahlkappen an den Füßen trug, mehrfach mit großer Wucht mit den Füßen auf den am Boden liegenden Zeugen H. ein, wobei er diesem mindestens 10 Tritte versetzte, die größtenteils gegen den Kopf des Zeugen H., teilweise auch gegen den Körper, geführt wurden. Der Zeuge H. verlor bereits nach den ersten Tritten das Bewußtsein. Erst infolge des Eingreifens des Zeugen N. sowie von Sicherheitskräften der Diskothek ließ der Angeklagte W. von dem Zeugen H. ab.
Der Zeuge H. erlitt durch den Schlag mit dem Bierkrug ins Gesicht und die Tritte eine Schnitt- oder Platzwunde an der Stirn, einen Bluterguß am rechten Auge und am linken Jochbein, eine Mittelgesichtsfraktur links sowie ein Schädelhirntrauma ersten Grades sowie eine Augenverletzung; darüberhinaus brachen zwei Zähne ab. Der Zeuge mußte zunächst drei Wochen lang stationär im Krankenhaus behandelt werden, wo ihm am gebrochenen Jochbein eine Platte eingesetzt wurde. Zu deren Entfernung mußte er vor kurzem weitere zwei Wochen stationär im Krankenhaus verbringen.”
Mit Bescheid vom 12. Januar 1995 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da der Kläger durch sein eigenes Verhalten den Schädiger vernunftswidrig provoziert habe. Er müsse sich deshalb die folgende Auseinandersetzung im wesentlichen selbst zurechnen lassen. Der Widerspruch des Klägers vom 24. Januar 1995 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1995 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 7. Juni 1995 bei dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben, das mit Beschluß vom 28. November 1995 die AOK Hessen, Regionaldirektion Nordhessen, beigeladen hat. Nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kassel hat das Sozialgericht mit Urteil vom 27. September 1996 den Beklagten verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen der am 20. Februar 1993 erlittenen Verletzungen Versorgung in gesetzlichem Umfang zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Entgegen der Auffassung des Beklagten liege kein Versagensgrund im Sinne des OEG vor. Der Kläger habe den Angriff nicht verursacht. Ein gewisses Maß an Selbstverschulden bedinge noch nicht die ursächliche Mitwirkung im versorgungsrechtlichen Sinne. Der bloße Umstand, daß bekannt sei, daß Skinheads als gewaltbereit gelten, rechtfertige daher für sich nicht schon die Annahme, dem Opfer, da es dem erhöhten Risiko nicht aus dem Wege gegangen ist, eine wesentliche Mitverursachung anzulasten. Im vorliegenden Falle stehe als Beitrag d...