Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozessvergleich. kein Abschluss nach § 278 Abs 6 ZPO. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anpassung eines Vergleichsvertrags
Leitsatz (amtlich)
1. In einem sozialgerichtlichen Verfahren kann (über § 202 S 1 SGG) kein wirksamer Prozessvergleich nach § 278 Abs 6 ZPO geschlossen werden, weil § 101 Abs 1 S 2 SGG den Vergleich im schriftlichen Verfahren abschließend normiert.
2. Zur Anpassung eines Vergleichsvertrages nach § 59 SGB X.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 5. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Änderung eines vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleichs.
Die 1964 geborene Klägerin erlitt am 31. Oktober 2012 einen Wegeunfall mit ihrem Pkw. Der am selben Tag aufgesuchte Durchgangsarzt Prof. Dr. C. diagnostizierte eine Commotio cerebri, eine HWS-Distorsion und eine Prellung der linken Lumbosakralregion. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. Mai 2014 die Bewilligung einer Rente wegen dieses Versicherungsfalls ab, weil die Klägerin lediglich an einer folgenlos ausgeheilten Gehirnerschütterung und einer Prellung der Halswirbelsäule leide. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2014 zurück. Am 6. November 2014 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden (S 19 U 134/14) und beantragte schriftsätzlich, den Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin „Entschädigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung zu stellen“. Am 10. Januar 2017 fand ein Erörterungstermin statt. Das Protokoll vom selben Tag enthält folgende Passage: „Es wird folgendes weiteres Vorgehen besprochen: Die Terminvertreterin der Beklagten erklärt sich bereit, die Kosten für eine Therapie im Laufe des Verfahrens zu übernehmen und der Klägerin geeignete Traumatherapeuten zu benennen. Es wird vereinbart, dass die Klägerin sich an die Beklagte wenden kann, um das weitere Vorgehen diesbezüglich zu besprechen.“
Die Klägerin nahm ab 6. April 2017 an einer ambulanten Traumatherapie bei Dr. D. teil, deren Kosten die Beklagte übernahm.
Mit Schriftsatz vom 30. November 2017 schlug die Beklagte folgenden Vergleich vor:
„Die Beklagte erklärt sich bereit, für den Zeitraum von zwei Jahren eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. für die Diagnose einer unfallbedingten Anpassungsstörung zu gewähren. Über diesen Zeitraum hinaus sind unfallbedingte Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Beklagte beteiligt sich zur Hälfte an den notwendigen außergerichtlichen Kosten.“
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2017 übersandte das Sozialgericht dem Klägervertreter diesen Schriftsatz mit der Bitte um Mitteilung, ob er dem Vergleichsangebot der Beklagten zustimmen könne, um den Rechtsstreit zu erledigen. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 teilte der Klägervertreter dem Sozialgericht mit, die Klägerin sei grundsätzlich bereit, dem unterbreiteten Vergleichsvorschlag zur Beendigung des Rechtsstreites näherzutreten. Allerdings lege die Klägerin Wert auf Kenntnis des Fortgangs der Angelegenheit. In der Anlage werde daher das Schreiben der Klägerin vom 12. Dezember 2017 in Vorlage gebracht mit der Bitte, dieses an die Beklagte zur weiteren Veranlassung weiterzuleiten. Im Anschluss hieran könne in Aussicht gestellt werden, dass der Rechtsstreit auf der Grundlage des unterbreiteten Vergleichsangebots beendet werden könne.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 schlug das Sozialgericht den Beteiligten zur Beendigung des Rechtsstreits folgenden Vergleich vor:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit, weiterhin die Kosten für die Therapie bei Frau Dr. D. zu übernehmen.
2. Die Beklagte gewährt der Klägerin für den Zeitraum von zwei Jahren eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 % wegen einer unfallbedingten Anpassungsstörung.
3. Über diesen Zeitraum hinaus sind unfallbedingte Funktionseinschränkungen nach Auffassung der Beklagten nicht mit dem notwendigen Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.
4. Die Beklagte erstattet der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten.
5. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist.
Die Beteiligten wurden gebeten, bis zum 31. Januar 2017 mitzuteilen, ob dem Vergleichsvorschlag zugestimmt werde.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 übersandte die Beklagte dem Sozialgericht einen geänderten Vorschlag mit folgendem Inhalt:
1. Die Beklagte erklärt sich bereit,...