Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung zur Frage des Berufsschadensrechts
Leitsatz (amtlich)
Ist ein beinamputierter Beschädigter zum Schumachergesellen umgeschult worden und arbeitet er nach Aufgabe des selbständigen als Sattler, so liegt kein schädigungsbedingter Einkommensverlust vor, wenn genügend konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, daß er seinen Kleinstbetrieb aus Strukturgründen der Wirtschaft auch als Ungeschädigter nicht hätte aufrechterhalten oder zumindest zur ausreichenden Existenzgrundlage hätte ausbauen können.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3-4
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 19.06.1970) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 19. Juni 1970 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der am … 1924 geborene Kläger bezieht wegen
„1) Amputation des rechten Beines im Oberschenkel.
2) Reizlose kleine Narben am Hals, linker Ellenbogen und linker Oberschenkel”
als Schädigungsfolgen Versorgung nach einem Grade der MdE von 70 v.H. (Neufeststellungsbescheid vom 4. September 1952).
Am 22. März 1967 beantragte er beim Versorgungsamt Darmstadt Berufsschadensausgleich. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er unter Beifügung von Zeugnissen und anderen Urkunden an, er habe nach Beendigung der Pflichtschulzeit ab 1939 bis zu seiner 1942 erfolgten Einberufung in der elterlichen Landwirtschaft mitgeholfen. Nach dem Kriege sei er von 1947 bis 1949 als Schuhmacher umgeschult worden, habe die Gesellenprüfung abgelegt, sich im Juli 1951 selbständig gemacht und sein Gewerbe im März 1952 wieder abgemeldet, da er seinen Beruf wegen der Beschädigung nicht habe ausüben können. Anschließend sei er arbeitslos gewesen, bis er im Januar 1954 bei der Firma A. AG in R. eine Tätigkeit als Arbeiter in der Sattlerei gefunden habe. Dadurch habe er einen Einkommensverlust.
Das Versorgungsamt zog eine Verdienstbescheinigung von der Arbeitgeberin des Klägers und eine Auskunft von dem Landeswohlfahrtsverband Hessen bei. Alsdann erließ es am 24. April 1968 zunächst einen Bescheid über die Ablehnung einer Zugunstenentscheidung hinsichtlich des besonderen beruflichen Betroffenseins und berief sich auf die Bindung des Bescheides vom 4. September 1952. Am 25. April 1968 lehnte es die Gewährung von Berufsschadensausgleich mit der Begründung ab, der Kläger sei erfolgreich umgeschult worden. Die Aufgabe sei nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Einen etwaigen Einkommensverlust habe er selbst zu vertreten.
Gegen beide Bescheide wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch. S.E. sei die Umschulung zum Schuhmacher erfolglos gewesen, da er diesen Beruf nach etwa Dreivierteljahr wegen der Beschädigung wieder habe aufgeben müssen. Als älterer Sohn hätte er die Landwirtschaft seiner Eltern übernommen und bei glücklicher Heimkehr aus dem Kriege ein höheres Einkommen im Vergleich zu seiner jetzigen Tätigkeit als Arbeiter.
Durch Widerspruchsbescheid vom 18. September 1968 wurde der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Ablehnung des beruflichen Betroffenseins bestätigt. Am 19. September 1968 erging der Widerspruchsbescheid bezüglich des beantragten Berufsschadensausgleichs, zu dessen Begründung ausgeführt wurde, sowohl als selbständiger Schuhmacher in einer kleinen Gemeinde als auch als selbständiger Landwirt eines kleinen Besitzes läge das Einkommen des Klägers nicht über dem derzeitigen als Sattler bei der Firma O. AG. Auch sei das Berufsziel Landwirt durch keine Unterlagen nachgewiesen worden.
Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Darmstadt durch Bescheid vom 19. Juni 1970 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat zu ihrer Begründung wiederum ausgeführt, seinen Beruf als selbständiger Schuhmacher habe er, wie er durch die Einreichung ärztlicher Bescheinigung nachweise, wegen der Amputationsfolgen aufgeben müssen. Berufsschadensausgleich unter Eingruppierung in die Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) stehe ihm deshalb zu, weil er als selbständiger Schuhmacher mehr als gegenwärtig verdienen würde.
Mit Urteil vom 19. Juni 1970 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Beklagte habe den Antrag des Klägers zutreffend dahin ausgelegt, daß er auch die Erhöhung des Grades der MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins anstrebe und darüber richtig durch die Erteilung eines negativen Zugunstenbescheids entschieden. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG lägen nicht vor, da er laut Auskunft des Finanzamtes in Cochem einen sehr geringen Verdienst als Schuhmacher gehabt habe, wohingegen er diese Tätigkeit im Hinblick auf seine Schädigungsfolgen hätte ausüben können. Aus diesem Grunde stehe ihm auch kein Berufsschadensausgleich zu.
Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 17. Juli 1970 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 17. August 1970 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung, die er auf die Geltendmachung von ...