Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Einschränkung der Leistungsvoraussetzungen für chronisch kranke hauptberuflich Selbstständige. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Einschränkung der Leistungsvoraussetzungen für den Krankengeldbezug chronisch kranker hauptberuflich Selbstständiger (hier: Abschaffung des teilweisen oder gänzlichen Wegfalls der Wartezeit bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als 6 Monaten) verstößt gegen höherrangiges Recht.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Juli 2004, die Bescheide der Beklagten vom 15. Mai 2002, 30. Mai 2002, 3. Juni 2002 und 10. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2002 sowie der Bescheid vom 30. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld in gesetzlichem Umfang für die Zeit vom 22. April 2002 - 12. Mai 2002 und vom 20. Dezember 2002 - 30. Januar 2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf Krankengeld und ob die Beklagte berechtigt war, die Leistungsvoraussetzungen für den Krankengeldbezug durch ihre Satzung einzuschränken.
Der 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten als selbstständiger Hausverwalter langjährig freiwillig versichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 29. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Im Jahr 2001 war er wiederholt wegen einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt vom 30. Oktober 2001 bis 5. November 2001. Für diesen Zeitraum erhielt er von der Beklagten Krankengeld, da nach § 20 Abs. 3 der Satzung der Beklagten in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit die Wartezeit von 29 Tagen nur dann berücksichtigt wurde, wenn zwischen dem Ende einer Arbeitsunfähigkeit und dem Beginn einer neuen Arbeitsunfähigkeit mehr als sechs Monate lagen.
Vom 14. Januar 2002 bis 20. Januar 2002 war der Kläger wegen entzündlicher Zustände des Kiefers/akute Infektion der oberen Atemwege, vom 27. April 2001 bis 2. Mai 2001 wegen einer chronischen obstruktiven Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 14. Mai 2002 begehrte der Kläger Krankengeld für diese Zeiträume, was die Beklagte mit Bescheiden vom 15. Mai 2002, 30. Mai 2002, 3. Juni 2002 und 10. Juni 2002 ablehnte, weil die Arbeitsunfähigkeit jeweils weniger als 29 Tage gedauert habe. § 20 Abs. 3 der Satzung sei mit Wirkung zum 1. Januar 2002 gestrichen worden. Den Widerspruch des Klägers vom 22. Mai 2002, mit dem dieser geltend machte, die Satzungsänderung benachteilige chronisch Kranke und sei deshalb unzulässig, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2002 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 2. September 2002 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben.
In der Zeit vom 28. Mai 2002 bis zum 20. September 2002 war der Kläger erneut arbeitsunfähig krank, diesmal wegen eines depressiven Syndroms/Überlastungssyndroms bzw. - ab dem 12. August 2002 - wegen Asthma bronchiale. Für die Zeit ab dem 25. Juni 2002 erhielt er Krankengeld von der Beklagten. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten folgten vom 2. Oktober 2002 bis 15. Oktober 2002 wegen einer somatoformen Störung, Kopfschmerz, Unwohlsein und Ermüdung und vom 20. Dezember 2002 bis 30. Januar 2003 wiederum wegen Asthma bronchiale. Auch für diese Zeiten begehrte der Kläger Krankengeld, was die Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2002 und Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2003 wiederum unter Hinweis auf die Wartezeit von 29 Tagen und den Wegfall von § 20 Abs. 3 der Satzung alter Fassung (a.F.) ablehnte.
Auch dagegen hat der Kläger - am 13. Juni 2003 - Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Leistungseinschränkungen der Beklagten benachteiligten ausschließlich chronisch Kranke und hier auch nur hauptberuflich Selbstständige. Betroffen seien Personen, die keinerlei Möglichkeit hätten, sich privat zu erträglichen Kosten zu versichern. Für angestellte freiwillige Mitglieder und Selbstständige würden bei gleichen Beiträgen unterschiedliche Leistungen gewährt.
Das Sozialgericht hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 12. Juli 2004 die Klagen abgewiesen. Nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -gesetzliche Krankenversicherung -(SGB V) könne die Satzung der Krankenkasse für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Hiervon habe die Beklagte in ihrer seit dem 1. Januar 2002 geltenden Satzung dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie für freiwillige...