Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Entziehung einer Verletztenrente. Beamtenstatus. Anwendungsbereich des § 61 Abs 1 SGB 7 bzw § 576 RVO. Anspruch auf Unfallfürsorge. Dienstunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 61 Abs 1 SGB 7 iVm § 82 Abs 4 SGB 7 bzw § 576 Abs 1 RVO iVm § 35 Abs 1 Satz 2 BeamtVG iVm § 31 Abs 1 BVG ist, dass der Betroffene zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Unfallfürsorge gehörte.
2. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn der Beamte entweder entlassen, in den Ruhestand versetzt oder beurlaubt wurde. Die Dienstunfähigkeit genügt nicht.
3. Eine wirksame Beurlaubung, derzufolge gem § 31 Abs 5 BeamtVG der Unfallfürsorgeanspruch nur noch im Ermessen des Dienstherrn steht, setzt die konstitutive Erklärung der Befreiung der Dienstpflicht durch den Dienstherrn voraus.
4. Eine Anwendung der dargestellten Grundsätze auf Fälle der Dienstunfähigkeit ist nicht geboten, weil auch der (nur) dienstunfähige Beamte dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung von Unfallfürsorge hat und somit die Gefahr von Doppelleistungen besteht, die durch § 61 SGB 7 bzw § 576 RVO vermieden werden sollen.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zum einen um die Höhe der nach einem erlittenen Arbeitsunfallereignis verbliebenen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und andererseits um die Rechtmäßigkeit einer Entziehungsentscheidung einer gewährten Verletztenrente.
Der Kläger ist 1939 geboren und war seit 1. Dezember 1961 im Rahmen eines Beamtenverhältnisses bei der XY. tätig.
Am 17. März 1987 erlitt der Kläger einen Unfall im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Kanalreiniger, die er inzwischen aufgenommen hatte, als er beim Aussteigen aus dem LKW am Trittbrett hängen blieb und auf die rechte Seite fiel. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Kläger hierbei eine Hüftpfannenfraktur rechts und eine Sitzbeinfraktur rechts erlitt.
Des Weiteren ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger einen weiteren versicherten Arbeitsunfall am 18. Mai 1994 erlitt, der aufgrund eines Bescheids vom 10. Mai 2002 nach einer MdE in Höhe von 10 v.H. seit dem 1. Januar 1997 entschädigt wird.
Erstmals am 26. März 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rentenleistungen wegen der Folgen des Unfalles vom 17. März 1987. Die Beklagte veranlasste ein unfallchirurgisches Gutachten bei Dr. X. vom 24. September 2001, der darin ausführte, dass die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenkes leicht bis endgradig behindert sei, wobei auch links eine leichte Beeinträchtigung festzustellen sei. Röntgenologisch zeige sich, dass die Knochenbrüche sowohl der Hüftpfanne als auch des Sitzbeines zwischenzeitlich vollständig konsolidiert seien. Eine Fehlstellung sei nicht erkennbar. Es würden sich diskret vermehrte Abnutzungserscheinungen des rechten Hüftgelenkes zeigen. Unfallunabhängig bestünden aber geringe Verschleißerscheinungen beider Hüftgelenke. Die MdE sei auf unfallchirurgischem Fachgebiet auf unter 10 v.H. einzuschätzen.
Die Beklagte veranlasste ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Dr. AU. vom 15. November 2001, der feststellte, dass das Unfallereignis vom 17. März 1987 eine leichte Schwäche der Hüftabduktion und ein angedeutet gestörtes Gangbild beim Kläger verursacht habe. Es sei davon auszugehen, dass unfallbedingt eine geringfügige neurogene Schädigung, wie sie im Rahmen eines Periformis-Syndroms bei massivem Gesäßanprall vorkomme, eingetreten sei. Daraus resultiere eindeutig eine leichte Schwäche der Hüftabduktion und auch des glutius maximus bei entsprechend angedeutet gestörtem Gangbild mit angedeutetem Trendellburgischem Phänomen und Absinken des Beckens in Einbeinstand. Hierdurch sei auch auf neuro-psychiatrischem Gebiet eine messbare MdE in Höhe 10 v.H. zu bewerten. Darüber hinaus bewertete Dr. AU. auch die verbliebenen Folgen des weiteren Arbeitsunfalles aus dem Jahre 1994 auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und führte hierzu aus, dass aufgrund einer erlittenen pilontibialer Fraktur eine perinäus Profundusschädigung mit glaubhaft subjektiver Beschwerdesymptomatik verblieben sei und eine MdE von ebenfalls 10 v.H. deshalb zu verzeichnen sei.
Die Beklagte holte eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. X. vom 30. November 2001 ein, der die Folgen des Unfalles vom 17. März 1987 unter Einbeziehung der unfallchirurgischen Folgen mit einer MdE von unter 10 v.H. und der neurologischen Folgen mit einer MdE von 10 v.H. sowie die Gesamt-MdE auf 15 v.H. ab dem 1. Januar 1997 einschätzte.
Durch Bescheid vom 12. Mai 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Unfalles vom 17. März 1987 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE vo...