Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Unterkunftskosten. Berücksichtigung von Beiträgen des Mieters zu einer Privathaftpflichtversicherung. mietvertragliche Verpflichtung. Wirksamkeit der Klausel

 

Leitsatz (amtlich)

Sofern es sich um für den Leistungsbezieher unabwendbare mietvertragliche Nebenkosten handelt, gehören auch die Aufwendungen einer vom Vermieter verlangten Haftpflichtversicherung des Mieters zu den nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II anzuerkennenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung.

 

Orientierungssatz

1. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die entsprechende Klausel zivilrechtlich zulässig und damit wirksam vereinbart war, sondern allein darauf, ob die Aufwendungen auf einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhten und vom erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich gezahlt wurden. Auf die Unwirksamkeit könnte sich der Grundsicherungsträger nur berufen, wenn er den Kläger entsprechend beraten und ihm Unterstützung bei der Abwehr entsprechender Forderungen von Seiten des Vermieters zugesichert hätte oder dem Betroffenen die Unwirksamkeit bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.

2. Das Urteil des BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 51/10 R = SGb 2012, 428 betrifft nach Auffassung des Senats eine andere Fallgestaltung. Denn in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um Aufwendungen für ein selbstgenutztes Eigenheim. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung stand dem dortigen Kläger deswegen grundsätzlich frei.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.06.2021; Aktenzeichen B 4 AS 76/20 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. September 2018 wird zurückgewiesen, wobei der Tenor klarstellend wie folgt gefasst wird: Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 verurteilt, dem Kläger höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4,10 Euro monatlich für die Zeit vom 1. September 2015 bis zum 29. Februar 2016 zu gewähren.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016, konkret um die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Haftpflichtversicherung für Mietschäden.

Der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt von seiner Ehefrau getrenntlebende, 1970 geborene Kläger wohnte bis zu seinem Umzug nach A-Stadt im Sommer 2015 im Zuständigkeitsbereich des Rheingau-Taunus-Kreises - Kommunales JobCenter Bad Schwalbach - und erhielt von dort Arbeitslosengeld II. Er hatte bei der C. Allgemeine Versicherungs-AG, C-Stadt, - nach seinen Angaben, weil auch sein dortiger Vermieter dies verlangte - eine Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen, die grundsätzlich auch Schäden abdeckte, die er als Mieter verursachte. Für die Versicherung fiel eine jährliche Prämie von 49,20 Euro an, die in monatlichen Raten von jeweils 4,10 Euro zu zahlen war. Die Versicherung begann am 1. Juli 2014; ihr Ablauf war anfangs für den 1. Januar 2016 vorgesehen, sie wurde danach jedoch unverändert fortgeführt. Nach den Versicherungsbedingungen (Ziffer 5.2) ist in die Versicherung eingeschlossen die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, wobei ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche wegen Abnutzung, Verschleißes und übermäßiger Beanspruchung, Schäden an Heizungs-, Maschinen-, Kessel- und Warmwasserbereitungsanlagen sowie an Elektro- und Gasgeräten und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden, Glasschäden, soweit sich der Versicherungsnehmer hiergegen besonders versichern kann, sowie Schäden infolge von Schimmelbildung. Ausgeschlossen sind ferner die unter den Regressverzicht nach dem Abkommen der Feuerversicherer bei übergreifenden Versicherungsfällen fallenden Rückgriffsansprüche. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Versicherungspolice (Bl. 12 ff. der Gerichtsakte - im Folgenden: GA -) sowie die erstinstanzlich eingeholte Auskunft bei der Versicherung (GA Bl. 95 f.) Bezug genommen. Der Rheingau-Taunus-Kreis als Grundsicherungsträger hatte die entsprechenden Aufwendungen als Unterkunftsbedarf bei der Leistungsberechnung berücksichtigt.

In A-Stadt mietete der Kläger eine 46,03 Quadratmeter große Wohnung an, für die monatlich eine Kaltmiete von 280,- Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 60,- Euro und eine Heizkostenvorauszahlung von 59,- Euro anfielen. Der Beklagte hatte diese Kosten vorab als angemessen akzeptiert. In dem unter dem 14./16. Juli 2015 geschlossenen Wohnungsmietvertrag, der auf Vermie...

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