Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung zur Frage der Wirtschaftlichkeit der Arzneiverordnungsweise

 

Leitsatz (amtlich)

1) Solange die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft ein Medikament in Anwendung von Nr. 7 der Arzneimittelrichtlinien in seiner Wirksamkeit nicht für ausreichend gesichert hält, ist dessen Verordnung unwirtschaftlich. Weder die Veröffentlichung positiver Begutachtungen über dieses Medikament in Fachzeitschriften noch die erfolgreiche Anwendung im Einzelfall in der Praxis können den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit entkräften.

2) Sowohl die Rechtssicherheit als auch das berechtigte Orientierungsinteresse eines Kassenarztes in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise gebieten die alsbaldige Einreichung eines Regreßantrages seitens des zuständigen Kassenverbandes und dessen gleichfalls alsbaldige Bearbeitung durch die Prüfungsinstanzen der Kassenärtztlichen Vereinigung.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Jeder Kassenarzt ist von sich aus verpflichtet, über die in Anwendung der ArzneimittelRL Nr 7 ergangene Feststellung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft bezüglich der Wirksamkeit und der Zulässigkeit des von ihm in Aussicht genommenen Medikaments Informationen einzuholen, wenn er sich nicht dem Vorwurf der unwirtschaftlichen Behandlungsweise und der Gefahr der Geltendmachung eines Regresses aussetzen will.

2. Für die Frage, ob die Wirksamkeit eines Medikaments ausreichend gesichert ist, kann allein die Entscheidung der Ärztekommission als maßgeblich angesehen werden; die Wirksamkeit muß von ihr zwingend festgestellt sein.

3. Das Interesse der Rechtssicherheit im allgemeinen und das Interesse der Orientierung des Kassenarztes über die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise im besonderen gebieten eine alsbaldige Geltendmachung und Prüfung des Regresses durch die zuständigen Stellen.

 

Normenkette

RVO §§ 368n, 368p

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.01.1973)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 17. Januar 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zur kassenärztlichen Versorgung Anspruchsberechtigter der RVO-Kassen zugelassen. Er wendet sich gegen Arzneikosten-Regresse für die Jahre 1967 bis einschliesslich 1969 von 312,96 DM, 252,59 DM und von 61,94 DM insoweit, als sie das Mittel „Hämolind” betreffen. Seinem Begehren liegen die Bescheide des Prüfungsausschusses der Beklagten vom 10. November 1969, 29. Juni 1970 und 26. Juli 1971 zugrunde, die auf Erstattungsforderungen der Beigeladenen beruhen. In diesen Bescheiden ist ausgeführt, bei Hämolind handele es sich um ein Mittel, das nach der Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft die in Ziff. 7 der Arzneimittelrichtlinien bezeichnete Voraussetzung nicht erfülle. Mit Beschlüssen vom 30. September 1971 und 17. Juli 1972 bestätigte der Beschwerdeausschuss der Beklagten die Bescheide. Den Kassenärzten sei durch Rundschreiben der Bezirksstellen rechtzeitig vorsorglich mitgeteilt worden, dass die Krankenkassen die Verordnung von Hämolind unter Umständen beanstanden würden.

Die dagegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Frankfurt/Main mit Beschluss vom 17. Januar 1973 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, nachdem es den Landesverband der Ortskrankenkassen in Hessen beigeladen hatte.

Der Kläger hat wie schon zur Begründung seiner Widersprüche vorgetragen, er habe Hämolind mit Erfolg zur Behandlung eines 68-jährigen Patienten eingesetzt, der langwierige und im übrigen therapiefeindliche haemorrhoidale Blutungen gehabt habe. Zuvor habe er sich vergewissert, dass dieses Mittel in der sogenannten Roten Liste verzeichnet sei, die vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegeben werde. Es sei ihm nicht zuzumuten, alle von den Krankenkassen beanstandeten Medikamente zu kennen. Durch die erfolgreiche Behandlung seines Patienten sei bewiesen, dass die negative Beurteilung von Hämolind durch die Arzneimittelkommission im Jahre 1961 unzutreffend sei. Tatsächlich sei die therapeutische Wirksamkeit gesichert. Die wissenschaftliche Grundlage sei durch zwei ausländische Professoren erarbeitet worden. Insoweit verweise er auf Veröffentlichungen der Frau Dr. med. Heimann-Willems aus den Jahren 1960/61. Durch andere Behandlungsarten wären überdies zumindest ähnlich hohe Kosten entstanden. Auch sei untragbar, dass die Regressanträge erst nach Jahren gestellt worden seien. Deshalb habe er seine Behandlungsweise nicht rechtzeitig abstellen können.

Demgegenüber haben die Beklagte und der Beigeladene ausgeführt, den Kassenärzten werde eine grüne Sammelmappe mit den Stellungnahmen der Arzneimittelkommission zur Verfügung gestellt. Ausserdem würden sie in Rundschreiben laufend auf die Medikamente hingewiesen, bei deren Verordnung sie mit Erstattungsanträgen der Krankenkassen zu rechnen hätten. Hämolind falle seit Anbeginn unter ...

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