Orientierungssatz

Die Tatsache, daß "Pantovigar" auch einen therapeutischen Nutzen hat, macht es nicht automatisch zum verordnungswürdigen Arzneimittel solange es auch ein Mittel der Pflege bleibt - wobei es keine Rolle spielt - wo der Schwerpunkt liegt.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.06.1983)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 1983 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Erstattungsforderung für das Quartal II/78 über DM 298,51 wegen Verordnung des Arzneimittels Pantovigar.

Die Kläger sind als Hautärzte in … niedergelassen und als Kassenärzte zur Versorgung zugelassen.

Auf Veranlassung der Beigeladenen zu 2. sprach mit Bescheid vom 14. April 1980 der RVO-Prüfungsausschuß der Beklagten einen Regress über DM 298,51 wegen Verordnung von Pantovigar im Quartal II/78 unter Berufung auf Ziffer 9 der Arzneimittelrichtlinien aus.

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein, wobei sie sich unter anderem auf ein Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Januar 1980 S-2/Ka - 226/78 und Mitteilungen bzw. gutachtliche Stellungnahmen bezogen.

In seinem Prüfbericht vom 20. Juni 1981 kam … zu dem Ergebnis, daß dem Widerspruch abgeholfen werden solle, da es sich bei der Verordnung von Pantovigar um eine diagnosegerechte Anwendung eines Arzneimittels bei bestimmten Erkrankungen der Haare, Kopfhaut und Nägel handele und diese Verordnung auch im Rahmen einer wirtschaftlichen Behandlungsweise vertretbar sei. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlung zeige sich auch darin, daß lediglich acht Rezepte beanstandet wurden, eine unüberlegte oder gar großzügige Verschreibung nicht angenommen werden dürfe.

Mit Beschluß vom 16. November 1981 wies jedoch der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Behandlung mit Pantovigar widerspräche den Arzneimittelrichtlinien zumal durch die Arzneimittelkommission für dieses Präparat noch keine verbindliche aussage erteilt worden sei, inwieweit eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse möglich sei. Haarwuchsmittel würden jedoch üblicherweise nicht in den Leistungsbereich der Krankenkassen fallen, obwohl Pantovigar nicht ohne weiteres einem üblichen Haarwuchsmittel gleichzusetzen sei. Zwar würden verschieden wissenschaftliche Publikationen für eine bestimmte Indikation eine angebliche Wirksamkeit sehen, eine Indikationsstellung sei jedoch bei den hier getätigten Verordnungen (insgesamt acht) nicht angegeben.

Gegen diesen Beschluß haben die Kläger am 15. Dezember 1981 vor dem Sozialgericht in Frankfurt Klage erhoben.

In der Begründung haben sie im wesentlichen ausgeführt, daß ihrer Auffassung nach die Wirksamkeit des Arzneimittels Pantovigar ausreichend gesichert sei, was sich unter anderem aus der roten Liste und aus den diesem Präparat zugewiesenen Indikationen ergebe. Wissenschaftliche Untermauerungen seien hierfür vorhanden. Hierbei sei insbesondere auf zwei Feldversuche zu verweisen, die erwiesen hätten, daß bei “diffuser Alopezie” durch Pantovigar ein Verschwinden oder eine Besserung des Haarausfalles eingetreten sei. Nummer 9 der Arzneimittelrichtlinien sei somit erfüllt, ebenso Nr. 18 dieser Richtlinien, da es sich bei dem Präparat nicht um ein Kosmetikum handele. Im übrigen seien die Arzneimittelrichtlinien verfassungswidrig, da die Übernahme durch die Satzung der Beklagten die Regelungskompetenz der Beigeladenen zu 1 durchbreche.

Mit Urteil vom 8. Juni 1983 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Sozialgericht ist zu der Auffassung gelangt, daß die Verordnung von Pantovigar im Quartal II/78 sowohl Ziffer 9 als auch Ziffer 18 d der Arzneimittelrichtlinien zuwiderlaufe und damit als unwirtschaftliche, d.h. nicht zweckmäßige Verordnung anzusehen sei. Die Arzneimittelrichtlinien seien keineswegs verfassungswidrig, sondern verbindliches Recht. Dies ergebe sich aus dem Auftrag des § 368 p - Abs. 3 RVO. Auch die Tatsache, daß die Prüfung des Bundesgesundheitsamtes ergeben habe, daß es sich bei dem Präparat um ein Arzneimittel handele, lasse noch nicht den Schluß zu, daß es zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden könne. Die Regelungen bei Registrierung bzw. Zulassung eines Arzneimittels dienten in erster Linie der Sicherung der Volksgesundheit durch staatliche Überwachung der in Verkehr zu bringenden Arzneimittel. Die Arzneimittelrichtlinien hingegen würden Regelungen dafür aufstellen, ob die Solidargemeinschaft der Versicherten vor übermäßigen Ausgaben durch unwirtschaftliche Verordnungen zu schützen sei. Bei Pantovigar handele es sich im wesentlichen um ein Haarwuchsmittel. Haarwuchsmittel würden jedoch nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen. Um in den Rahmen der Ziffer 9 der Arzneimittelrichtlinien eingeordnet zu werden, müsse die Wirkung von Pantovigar über die e...

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