Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz und Zuständigkeit für Blutspender
Leitsatz (redaktionell)
Personen, die zum Zweck der Grundstoffgewinnung zugunsten eines privaten Arzneimittelherstellers Blut bzw Blutteile spenden, genießen nach §§ 539 Abs 1 Nr 10, 655 Abs 2 Nr 3, 656 Abs 4 S 1 RVO bei einem gemeindlichen Unfallversicherungsträger Versicherungsschutz.
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.09.1980; Aktenzeichen S-8/3/U - 346/79) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 insoweit aufgehoben, wie es die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Beigeladenen zu 2. auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Im übrigen haben die Beteiligten keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung eines Unfalles zuständig ist.
Der Ehemann der Beigeladenen zu 2., H. K. (K.), war bei den F. H. AG in F. (Firma H.) als Sachbearbeiter einer technischen Inventarstelle angestellt. Am 14. Januar 1976 veranstaltete die Firma B. AG in M. (Firma B.), die seit 1970 in die Firma H. eingegliedert war, einen Blutspendetermin auf dem Werksgelände der Firma H. Damit wandte sich die Firma B. in regelmäßigen Abständen an die Belegschaft der Firma H., wobei aber auch Werksfremde zum Blutspenden zugelassen waren. Jedem Spender wurde etwa 500 ml Vollblut entnommen, um aus dem Blutplasma (etwa 250 ml) eine spezielle Blutplasma-Konserve mit der Bezeichnung “Seretin” (etwa 225 ml) herzustellen. Es dient in erster Linie der postoperativen Versorgung, kann aber auch bei Unfällen eingesetzt werden. Jedem Spender wurde eine Aufwandsentschädigung von 40,- DM ausgezahlt. Der Verkaufspreis von 250 ml Seretin betrug 1977 158,20 DM.
Auch K. hatte dort schon mehrmals Blut gespendet. Am 14. Januar 1976 beabsichtigte er es ein weiteres Mal. Er ließ sich von seiner Betriebsleitung bei Fortzahlung des Gehalts freistellen und begab sich zu dem Gebäude der werksärztlichen Abteilung, in dem die Mitarbeiter der Firma B. die Blutentnahme durchführten. Als diese K. zuvor untersuchten, kamen sie zu dem Ergebnis, dass sein Gesundheitszustand an diesem Tage für eine Blutentnahme zu schwach sei. Deshalb wurde K. ohne eine Blutentnahme wieder zurückgeschickt. Auf dem Rückweg zu seinem Betrieb überquerte K. die Werksstraße bei H 600, Südostecke. Dabei wurde er von einem Pkw eines Werksangehörigen angefahren und erlitt einen Schädelgrundbruch mit Hirnquetschungen und -prellungen sowie intracranielle Blutungen. Am 21. Januar 1976 verstarb K. an den Unfallfolgen.
Über die Zuständigkeit zur Entschädigung des umstrittenen Unfalls herrschte zwischen der Klägerin einerseits und der Beklagten sowie dem Beigeladenen zu 1. andererseits von vornherein Uneinigkeit. Im Interesse der Beigeladenen zu 2. gewährte die Klägerin ihr Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld als vorläufige Leistungen gemäß § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Bescheid vom 25. Oktober 1976. Unter dem 20. Dezember 1976 bat die Klägerin die Beklagte um Übernahme der Entschädigungsleistungen. Das wurde von dieser mit Schreiben vom 15. Februar 1977 abgelehnt.
Mit der am 7. März 1977 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zuständiger Versicherungsträger ist. Die Klage hat zunächst keinen Erfolg gehabt. Mit Urteil vom 30. September 1977 hat das SG es nach Beiladung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes abgelehnt, die Beklagte für entschädigungspflichtig zu erklären und sie zum Ersatz der Aufwendungen anlässlich des Unfalls des K. zu verpflichten. Denn der Verstorbene sei nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO versichert gewesen, da es sich bei der Blutspendeaktion um eine unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehende Betriebsveranstaltung gehandelt habe, an der sich K. habe beteiligen wollen. Damit sei die Blutspende Bestandteil des Unternehmens der Firma H. gewesen und die subsidiäre Zuständigkeit der Beklagten für Blutspender aus den §§ 539 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO sei durch § 655 Abs. 3 RVO ausgeschlossen. Auf die dagegen unmittelbar eingelegte Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) das Urteil des SG vom 30. September 1977 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen, weil die notwendige Beiladung der Witwe des K. versäumt worden sei (Urteil des BSG vom 30.10.1979 - 2 RU 3/78 -).
Deren Beiladung hat das SG nachgeholt und sodann mit Urteil vom 23. September 1980 festgestellt, dass die Beklagte zuständig ist zur Anerkennung und Entschädigung des von K. erlittenen Unfalls. Es hat die Revision zugelassen. I...