Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2102. arbeitstechnische Voraussetzung. Mülllader. Meniskuserkrankung
Leitsatz (amtlich)
Zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit der Nr 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (juris: BKV Anl 1 Nr 2102) in der Variante "häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage".
Die Tätigkeit des Müllladers enthält sowohl Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Fußball-, Handball- oder Basketballspielers im Profi- und Hochleistungssport, als auch Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Rangierers und ist insgesamt mit einer vergleichbaren Belastungssituation für die Kniegelenke verbunden.
Normenkette
SGB VII § 9 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1; BKV Anl 1 Nr. 2102
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. August 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Meniskuserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen ist.
Der 1965 geborene Kläger ist seit Juli 1993 bei einem privaten Müllentsorgungsunternehmen als Müllwerker bzw. Mülllader beschäftigt. Am 4. Juli 2005 erlitt er während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Anschließend wurde bei ihm im Rahmen einer kernspintomographischen Untersuchung eine Innen- und Außenmeniskusläsion festgestellt. Am 11. Juli 2005 erfolgte eine Arthroskopie des Kniegelenks, welche den Befund einer ausgeprägten degenerativen Meniskopathie ergab. Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Erbringung von Leistungen wegen des Unfalls über den 10. Juli 2005 hinaus ab, da im Rahmen der am Folgetag durchgeführten Arthroskopie ausschließlich unfallunabhängige Erkrankungen des rechten Kniegelenkes festgestellt worden seien. Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte Widerspruch und führte dabei u.a. aus, die Veränderungen in seinem Knie seien auf seine langjährige berufliche Tätigkeit zurückzuführen, so dass eine BK festzustellen sei.
Daraufhin leitete die Beklagte ein entsprechendes Feststellungsverfahren bezüglich der in Betracht kommenden BK nach der Nr. 2102 (BK 2102) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ein. Nach Beiziehung zahlreicher medizinischer Unterlagen, des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse des Klägers, einer Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers sowie einer Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 18. Oktober 2006, lehnte sie mit Bescheid vom 10. Januar 2007 die Anerkennung einer BK 2102 ab, da es bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Entstehen dieser BK fehle. Entsprechenden Belastungen sei der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Mülllader nicht ausgesetzt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 16. Januar 2007 Widerspruch, den er damit begründete, die Tätigkeit als Müllwerker seit 13 Jahren teilweise über 10 Stunden am Tag unter erheblichem Zeitdruck ausgeübt zu haben. Dies sei mit erheblichen Bewegungsbeanspruchungen in Form von häufigem Hoch- und Runterspringen vom Müllwagen und viel Laufen und Aufladen der Säcke auf den Müllwagen mit Drehbewegung der Kniegelenke verbunden gewesen. Diese Tätigkeit sei durchaus geeignet, die Kniegelenke überdurchschnittlich zu belasten.
Die Beklagte holte hierzu eine weitere Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 16. Februar 2007 ein. Danach seien die Bewegungsabläufe eines Müllwerkers hinsichtlich der auftretenden Meniskusbelastungen nicht mit denen eines Bergmanns, Fußballspielers oder Rangierers vergleichbar.
Nachfolgend wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2007 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 21. September 2007 vorgelegt. Danach könnten die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 anerkannt werden bei:
- Berufsfußballspielern aufgrund häufiger Knick-, Dreh- und Scherbewegungen durch das schnelle Abbremsen auf dem Rasen mit Stollenschulen, durch plötzliches Abknicken bei Richtungsänderungen und durch “Pressschläge„,
- Handballspielern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen sowie das schnelle Abbremsen auf dem Hallenboden mit rutschfesten Schuhen verbunden mit abrupter Laufrichtungsänderung sowie
- Rangierern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen beim Abspringen von fahrenden Eisenbahnwaggons auf unebenem Schotteruntergrund.
Hiermit sei die Belastung eines Müllladers nicht vergleichbar, dessen Tätigkeit mit dem Abspringen vom Tritt des noch fahrenden Müllwagens, dem Laufen vom und zum...