Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung. Nacherhebung. Beitrag. Versorgungsbezüge. Treu und Glauben
Orientierungssatz
1. Fällt eine verspätete Beitragsabführung aus Versorgungsbezügen allein in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse, die trotz Kenntnis aller rechtserheblichen Tatsachen eine rechtzeitige Mitteilung der Höhe der einzuziehenden Beiträge an die Versicherte und die Zahlstelle zu unterlassen hat, so darf die Krankenkasse die Beiträge nicht vom Versicherten gemäß § 393a Abs 2 RVO aF nachfordern.
2. Es ist mit Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn die Krankenkasse ein fehlendes Verschulden der Zahlstelle und damit eine rechtliche Voraussetzung für ihre Beitragsnacherhebung mit eigenem fehlerhaften Verhalten begründen könnte (Anschluß an BSG vom 23.5.1989 - 12 RK 30/88 = SozR 2200 § 393a Nr 2).
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.10.1989; Aktenzeichen S-25/Kr-465/89) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Oktober 1989 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Aufwendungen des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) aus Versorgungsbezügen.
Die Klägerin ist die Tochter und Rechtsnachfolgerin der 1986 verstorbenen …, die vom 1. Januar 1969 bis zu ihrem Tod bei der Beklagten als pflichtversichertes Mitglied krankenversichert war. Neben einer Rente von der Landesversicherungsanstalt Berlin erhielt sie von dem Beigeladenen Versorgungsbezüge, von denen nach Aufforderung der Beklagten ab 1. Februar 1986 Krankenversicherungsbeiträge einbehalten und an die Beklagte abgeführt worden sind.
Bereits am 9. August 1982 hatte die verstorbene Versicherte der Beklagten auf einem ihr übersandten Formblatt die Höhe ihrer monatlichen Bezüge bei der Landesversicherungsanstalt und dem Beigeladenen unter Angabe ihrer Versicherungsnummer bzw. ihres Aktenzeichens mitgeteilt, ohne dass in der Folgezeit Krankenversicherungsbeiträge von den Versorgungsbezügen erhoben worden wären. Im November 1985 und im Mai 1986 setzte das Landesversorgungsamt die Beklagte jeweils von Erhöhungen der Versorgungsbezüge in Kenntnis.
Mit Bescheid vom 15. Juli 1988 (ohne Rechtsmittelbelehrung) forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis 31. Januar 1986 in Höhe von 1.186,84 DM auf, da Krankenversicherungsbeiträge seit 1. Januar 1983 bei versicherungspflichtigen Rentenbeziehern von der Rente, von Versorgungsbezügen und ggf. auch vom Arbeitseinkommen zu entrichten seien. Die Klägerin hafte als Erbin für die entstandene Nachlassverbindlichkeit.
Hiergegen legte die Klägerin am 21. September 1988 Widerspruch ein. Eine an den Beigeladenen gerichtete Antrage der Klägerin vom 18. Juli 1988 insbesondere dazu, warum ein Beitragsabzug von den laufenden Bezügen ihrer Mutter nicht erfolgt sei, beantwortete diese (Schreiben vom 27. Juli 1988) unter Hinweis darauf, dass ein Abzug von den Versorgungsbezügen erst nach schriftlicher Aufforderung der jeweiligen Krankenkasse erfolgen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 1989 zurück, da der geltend gemachte Beitragsanspruch den gesetzlichen Bestimmungen folge und der Anspruch noch nicht verjährt sei. Da von der Zahlstelle bis zum 31. Januar 1986 ohne Verschulden keine Beiträge einbehalten worden seien, obliege der Krankenkasse der Beitragseinzug.
Am 10. Februar 1989 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und sich zur Begründung auf das am 23. Mai 1989 ergangene Urteil des Bundessozialgerichts (Az.: 12 RK 30/88) bezogen, das in einem vergleichbaren Fall ihre Rechtsauffassung bestätigt habe.
Durch Urteil vom 26. Oktober 1989 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 1989 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass die verstorbene Versicherte ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Mitteilung ihrer Bezüge rechtzeitig nachgekommen sei. Die Beklagte habe es jedoch unterlassen, dem Beigeladenen und der Versicherten unverzüglich die Höhe der von den Versorgungsbezügen zu erhebenden monatlichen Beiträge mitzuteilen. In einem solchen Fall bestehe aber nach den gesetzlichen Bestimmungen keine Verpflichtung des Beigeladenen zum Beitragseinzug. Das Bundessozialgericht (12 RK 30/88) habe der Krankenkasse eine nachträgliche Beitragsforderung selbst dann versagt, wenn der Versicherte den versäumten Einzug der Krankenkassenbeiträge erkannt und eine entsprechende Mitteilung an die Krankenkasse unterlassen habe. An der fehlenden Einbehaltung der Beiträge träfe den Beigeladenen kein Verschulden. Ein Rückgriff auf...