Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsnachentrichtung. Änderung des Antrages. Bereiterklärung
Leitsatz (amtlich)
Eine Zurücknahme oder Änderung des Antrages auf Nachentrichtung ist auch nach bindender Entscheidung über eine Bereiterklärung eines Versicherten nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 AVG nicht mehr zulässig.
Eine nachträgliche Änderung ist auch im Bereich des WGSVG dadurch ausgeschlossen, daß die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsnachentrichtung grundsätzlich – unter Beachtung des Entschädigungscharakters – auch dort anzuwenden sind.
Normenkette
WGSVG Fassung 1970-12-22 § 10 Abs. 1; AVG §§ 140, 142 Abs. 1 Nr. 2; AnVNG § 49a Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.10.1979; Aktenzeichen S-17/An-106/78) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Oktober 1979 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht, ob der Kläger zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) vom 22. Dezember 1970 (BGBl. I S. 1846) auch für die Zeit von Juni 1950 bis Dezember 1957 und für die Jahre 1959 und 1960 berechtigt ist.
Der am … 1908 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und als Verfolgter nach § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Mit Schreiben vom 24. Juni 1975, das am 26. Juni 1975 bei der Beklagten einging, beantragte er u.a., ihm gegebenenfalls die Nachentrichtung von Beiträgen nach den Vorschriften des WGSVG oder nach allgemeinen Vorschriften zu gestatten, um auf diese Weise einen Rentenanspruch zu begründen bzw. auszubauen. Mit Schreiben vom 30. April 1976 teilte die Beklagte dem Kläger informatorisch mit, daß grundsätzlich Beiträge im folgenden Umfang nachentrichtet werden konnten: „Vom 1.1.1933 bis 31.8.1934, 1.11.1935 bis 31.12.1935, 1.11.1936 bis 31.12.1936, 1.11.1937 bis 31.12.1937, 1.11.1938 bis 31.12.1938, 1.8.1939 bis 30.11.1939, 1.2.1945 bis 31.3.1945, 1.1.1946 bis 31.1.1947, 1.9.1948 bis 31.1.1971. Wir bitten, die notwendigen Erklärungen innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung dieses Schreibens abzugeben. Nach Eingang der Erklärungen wird der Antrag auf Nachentrichtung abschließend bearbeitet und ein Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung erteilt.”
Nachdem auf Bitte des Klägers ein vollständiger Versicherungsverlauf in Form einer Proberechnung von der Beklagten erstellt worden war, teilte der Kläger mit Schreiben vom 30. September 1976 mit, daß er für die Zeit von Juli 1933 bis einschließlich August 1934 14 Beiträge in der Klasse 100 zu 18,– DM pro Monat und jeweils für die Monate November und Dezember der Jahre 1935, 1936 und 1937 insgesamt 6 Beiträge in der Klasse 100 zu 18,– DM pro Monat und für die Zeit von September 1948 bis einschließlich Juni 1950 22 Beiträge der Klasse 600 zu 108,– DM pro Monat nachentrichte und fügte seinem Schreiben einen Verrechnungsscheck über 2.736,– DM bei. Darüber hinaus erklärte sich der Kläger bereit, zusätzlich eine weitere Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Januar 1965 bis einschließlich Januar 1971 in den jeweiligen Höchstklassen vorzunehmen. Mit Bescheid vom 8. November 1976, der dem Kläger am 11. November 1976 zuging, entschied die Beklagte, daß der Kläger nach § 10 WGSVG zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen im beantragten Umfang berechtigt sei. Zugleich ließ sie die Teilzahlung für die Nachentrichtung eines Restbetrages von 19.332,– DM zu.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 1976 bewilligte sie ihm Altersruhegeld. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, u.a., um zu verhindern, daß der Altersruhegeldbescheid Bindungswirkung erlange, weil er weitere Beiträge in Höhe von 19.332,– DM nachentrichten wolle. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1977 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers neu und stellte den Beginn am 1. Juli 1975 fest.
Mit Schreiben vom 23. März 1977 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß entgegen der zunächst beabsichtigten Nachentrichtung nunmehr nach § 10 WGSVG ein Betrag in Höhe von 13.176,– DM eingezahlt werde, der für 90 Beiträge der Klasse 600 à 108,– DM für die Zeit von Juli 1950 bis Dezember 1957 und für 24 Beiträge der Klasse 800 zu je 144,– DM für die Jahre 1959 und 1960 zu verwenden sei.
Mit Bescheid vom 31. Mai 1977 lehnte die Beklagte die Beitragsnachentrichtung für diese Zeiten ab, weil der Bescheid vom 8. November 1976 für die früher beantragten Zeiträume bereits bindend geworden und die Antragsfrist des § 10 WGSVG bereits abgelaufen sei.
Widerspruch und Klage gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1978).
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main stellte im Urteil vom 10. Oktober 1979 darauf ab, daß der vom Kläger im Juni 1975 gestellte Nachentrichtungsantrag durch den bindenden Bescheid vom 8. November 1976 ...