Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der für eine Betriebskrankenkasse maßgebliche Aufsichtsbehörde
Orientierungssatz
1. Für die Bestimmung des aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereichs einer Betriebskrankenkasse ist nach der Entscheidung des BSG vom 10. 3. 2015 nicht ein statischer Zustand aus der Vergangenheit, sondern der sich wandelnde jeweilige Stand der Verteilung der festen Arbeitsstätten der erfassten Innungsbetriebe der Trägerinnungen der Länder maßgeblich.
2. Folge der dynamischen Regelung ist, dass ein Land, in dem keine festen Arbeitsstätten der den Trägerinnungen angehörenden Betriebe mehr existieren, nicht mehr zum aufsichtsrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich einer Innungskrankenkasse gehört. Eine statische Betrachtungsweise hat in der Norm des § 173 Abs. 2 SGB 5 keinen Niederschlag gefunden.
Normenkette
SGB V § 173 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, S. 2; SGB IV § 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 90a Abs. 2, § 94 Abs. 2 S. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; SGB X § 31 S. 1; GG Art. 87 Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, welche Aufsichtsbehörde für die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) zuständig ist.
Die Klägerin ist durch Fusion der V-BKK und der Z. BKK am 1. Juli 2010 unter dem Namen "Vereinigte BKK" entstanden. Am 1. Januar 2011 folgte eine weitere Fusion mit der BKK Y. Bereits 1999 öffnete sich die V-BKK, wodurch jeder, der die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllte, Versicherter werden konnte.
Nach Insolvenz und Abwicklung der VX. AG im Jahre 2012 bzw. 2013 und entsprechenden Betriebsschließungen im ganzen Bundesgebiet reduzierten sich die sog. Trägerbetriebe der Klägerin - unstreitig - auf Unternehmen mit Sitz in Hessen und Baden-Württemberg. Die Klägerin selbst hat ihren Sitz in Frankfurt.
Die Klägerin legte dem bisher für die Aufsicht zuständigen Bundesversicherungsamt im Mai 2014 eine Satzungsänderung zur Genehmigung vor.
Das Bundesversicherungsamt teilte der Klägerin mit Schreiben vom 12. August 2014 mit, dass die Klägerin durch den Wegfall der VX. AG ein landesunmittelbarer Sozialversicherungsträger geworden sei, da sich der Kassenbereich nur noch auf die Länder Hessen und Baden-Württemberg erstrecke. Die Aufsichtsführung werde daher an das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt abgegeben. Das Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Das Regierungspräsidium wurde mit Schreiben gleichen Datums informiert.
Mit Bescheid vom 28. August 2014 bestätigte das Bundesversicherungsamt, dass die Klägerin aufgrund von Veränderungen im Kassenbereich mit Wirkung zum 1. September 2014 ein landesunmittelbarer Sozialversicherungsträger werde. Auch unter Berücksichtigung der in einem neuen Satzungsentwurf genannten weiteren Unternehmen bleibe es bei der Erstreckung auf die Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg. Gemäß § 173 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Band V - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) müsse sich aus der Satzung der BKK die Zuständigkeit für die Betriebe ergeben, von denen sie gemäß § 173 Abs. 2 Nr. 4 SGB V - abgestellt auf die Gebiete der Länder - das Satzungswahlrecht ableite. Mithin gelte die unmittelbare Rechtsfolge des § 90 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Band IV, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV).
Die Klägerin hat am 15. September 2014 unter Beifügung einer Satzung Klage zum Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Das Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 19. Januar 2015 (berichtigt mit Beschluss vom 29. September 2015) das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Darmstadt gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig zum Verfahren beigeladen und vor dem Hintergrund eines vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Verfahrens zum aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereich von Innungskrankenkassen (B 1 A 10/13 R) mit Beschluss vom 19. Februar 2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Das BSG hat mit Urteil vom 10. März 2015 (B 1 A 10/13 R) entschieden, dass nicht ein statischer Zustand aus der Vergangenheit, sondern der sich wandelnde jeweilige Stand der Verteilung der festen Arbeitsstätten der erfassten Innungsbetriebe der Trägerinnungen der Länder für die Aufsichtszuständigkeit maßgeblich sei. Folge der dynamischen Regelung sei, dass ein Land, in dem keine festen Arbeitsstätten der den Trägerinnungen angehörenden Betriebe mehr existieren, nicht mehr zum aufsichtsrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich der IKK gehörten. Die Regelungen der §§ 161 Satz 4 , 162 Satz 4 und 163 Satz 3 SGB V sowie des § 173 Abs. 2 S. 2 Teil 2 SGB V stünden dem nicht entgegen. Eine "statische" Betrachtungsweise, wonach die Erstreckung einer IKK nur den Zuständigkeitsbereich erfasse, der sich bei Inkrafttreten des § 173 Abs. 2 S. 2 SGB V oder im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzungsregelung nach § 173 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB ...